TQJ 04/2022

Rezensentin:
Almut Schmitz

Andreas Mütsch:
Qigong, Taiji, das Dao und ich. Theorie und Praxis einer chinesischen Philosophie
BoD 2019, 284 S., TB, € 16,80,
ISBN 978-3-7494-0923-5

Die Existenz dieses Buches ist ein Beleg dafür, dass es für unsere Künste immer noch Unterricht gibt, der sich auf die schlichte Vermittlung von Bewegungen beschränkt. Denn diese eigene Erfahrung hat Andreas Mütsch dazu bewogen, dazugehöriges Basiswissen zusammenzutragen und anderen Übenden zur Verfügung zu stellen. Das tut er auf lockere und sehr gut lesbare Weise.

Die Idee an sich ist begrüßenswert, allerdings trägt er nicht wirklich zur Klarheit bei, da seine Ausführungen teilweise oberflächlich oder ungenau, manchmal auch schlicht falsch sind. Wenn er etwa am Beispiel von Gongfu aufzeigen will, dass chinesische Begriffe immer eine Vielzahl von Bedeutungen haben, führt er nur »Arbeit, Aufwand, Bestreben, Studium oder Training, das Zeit, Energie und Geduld benötigt« an, der wesentliche Aspekt der Fähigkeiten, die man dadurch erlangt, taucht gar nicht auf.

Detaillierte Beschreibungen einzelner Punkte wie die Biographie von General Yue Fei, der die im Buch beschriebenen »Acht Brokate« entwickelt haben soll, erwecken den Anschein großen Wissens, aber an anderen Stellen bleibt der Autor vage und ungenau. »Dao bedeutet wörtlich übersetzt der natürliche Weg und meint die universelle Naturkraft.« »Shen ist das Zentrum des Geistes, das Menschliche im Menschen. Es sitzt im Oberen Dan Tian, unserem Gehirn.«

In mancher Hinsicht vertritt Andreas Mütsch ungewöhnliche Positionen, etwa dass der Chongmai durch das Rückenmark verläuft oder die Lokalisierung des mittleren Dantian beim Solarplexus. Da andere Ansichten nicht erwähnt werden, vermute ich, dass ihm selbst nicht bewusst ist, dass es dazu andere Auffassungen gibt. Wesentliche Quelle seiner Ausführungen scheinen Publikationen von Yang Jwing-Ming zu sein. Für Übende anderer Richtungen entsteht so eher zusätzliche Verwirrung.

Der praktische Teil mit Beschreibungen der »Acht Brokate« und der Pekingform ist durch das Fehlen von Abbildungen für Menschen, die diese Formen noch nicht kennen, kaum nachvollziehbar, für die anderen bieten sie keine zusätzliche Information. Allerdings weist der Autor darauf hin, dass möglichst ein Kurs besucht werden sollte, um die Abläufe zu erlernen.

Das Buch wirkt auf mich, als hätte Andreas Mütsch einfach mal alles aufgeschrieben, was er bisher über Qigong und Taijiquan weiß, nur leider ist dieses Wissen noch recht begrenzt und offenbar noch nicht von eigenem Verstehen durchdrungen. Vielleicht gibt es ja in einigen Jahren eine überarbeitete Fassung, die dann tatsächlich einen hilfreichen Überblick über die theoretischen Grundlagen liefern kann.