Angela Cooper:
Erschöpfung und Burnout vorbeugen – mit Qigong und TCM. Übungen zur Selbsthilfe
Springer 2023, 254 S. broschiert, € 24,99
ISBN 978-3-662-63478-3
Im Vorwort heißt es: »Ich schreibe dieses Buch für Menschen, die unter Stress leiden und sich wünschen, wieder frische Energie zu schöpfen. Wer unter Druck steht, hat keine Zeit für komplizierte Schachtelsätze und Fachchinesisch. Darum denke ich beim Schreiben an eine Freundin, mit der ich auf einem weichen Sofa sitze und dampfenden Tee trinke. Dabei erzähle ich ihr, wie ich mit Qigong meinen Burnout überwinden konnte.«
Wer jetzt denkt, dann darf ich fachlich wohl keine Tiefe von diesem Buch erwarten, irrt gewaltig. Angela Cooper, Qigong-Lehrerin und -Ausbilderin aus Wien, versteht es auf vorbildhafte Weise, fachlich fundiertes Wissen leicht verständlich zu vermitteln und dabei eine persönliche Ansprache zu pflegen, die Leser*innen ähnlich einlädt und »abholt«, wie es eine gute Lehrperson im Unterricht tun würde.
Das Buch basiert auf einer Masterarbeit, mit der Angela Cooper eine ihrer diversen Ausbildungen in den Bereichen Qigong, TCM, Energiearbeit, Stressbewältigung abgeschlossen hat. Im Laufe ihrer auf eigenen Erfahrungen beruhenden Beschäftigung mit Erschöpfung und Burn- out und den Möglichkeiten, die Qigong und die chinesische Medizin zu deren Vermeidung und Heilung bieten, hat die Autorin ein Modell entwickelt, das die Vorgänge bei einem Burnout im Rahmen von Yin/Yang und den fünf Wandlungsphasen beschreibt. Dies Modell taugt einerseits als Beschreibung der sieben Phasen eines Burnouts und andererseits als Wegweiser zur Burnout-Prophylaxe. Die erste Phase wird als Yin-Mangel beschrieben, die letzte als Yang-Mangel. Dazwischen ergeben sich die weiteren Phasen entlang des Kontrollzyklus der fünf Wandlungsphasen, der in balanciertem Zustand eine mäßigende Wirkung hat, also heilsam sein kann. Wirkt aber, so die Autorin, das kontrollierende Element im Übermaß, so nennt sie diesen Zyklus »Zerstörungszyklus«.
Damit folgt sie nicht der klassischen Terminologie des Modells der wechselseitigen Beeinflussungen der fünf Wandlungsphasen. Vielmehr stellt Angela Cooper eine eigene Deutung vor, die zur Beschreibung der Burnout-Phasen taugt: Das Ungleichgewicht im Metall führt zum Ungleichgewicht im Holz, dieses zu einem in der Erde, dieses zu einem im Wasser, dieses schließlich zu einem im Feuer. Damit sind wir im wahrhaft »ausgebrannten« Zustand und im großen Yang-Mangel.
Als zweite Quelle zieht Angela Cooper das Modell des Psychologen Matthias Burisch heran, der das Burnout-Syndrom in sieben Kategorien beschrieb, die chronologisch aufeinander aufbauen, also ebenfalls den Prozess beschreiben, wie aus anfänglicher Erschöpfung ein schwerer Burnout entstehen kann. Beiden Modellen ist eigen, dass sie die einzelnen Phasen gut beschreiben, die Abfolge stimmig ist – aber auch klar ist, dass die Symptome dieser Phasen nicht zeitlich begrenzt nur jeweils in dieser Phase auftreten können. Ein für Qigong-Erfahrene vertrautes »Sowohl-als-Auch« liegt also ebenfalls in diesem psychologischen Modell.
Spannend ist, wie gut die »westliche« Beschreibung von Matthias Burisch und die »östliche« von Angela Cooper zusammenpassen. Zugleich ist der Gewinn am TCM-Ansatz, an der Arbeit mit Yin/Yang und den Wandlungsphasen, dass die Beschreibung der Störung immer zugleich den Hinweis auf die Regulierung enthält. Und so leitet die Autorin durchaus schlüssig aus ihrem TCM-Burnout-Modell ihr Modell für ein Burnout-Prophylaxe-Qigong ab.
Jede Phase wird beschrieben. Leser*innen werden mit Fragen ermuntert zu prüfen, ob ein entsprechendes Ungleichgewicht vielleicht bei ihnen vorliegt. Dann wird dargelegt, wie man darauf regulierenden Einfluss nehmen kann. Zu jeder Phase bietet das Buch ein Fallbeispiel, die Beschreibung des Ungleichgewichts und der Phase anhand des Modells (TCM-Sicht), den Bezug zur Kategorie nach Matthias Burisch, die Beschreibung des gesunden Zustands sowie Hinweise, wie man diesen stärken und die entsprechende Wandlungsphase schützen kann. Es folgen jeweils eine sehr leicht auszuführende Qigong-Übung, die mit einem »Glückssatz« verbunden wird, um eine mentale Neuausrichtung im Zusammenspiel mit dem Körper einzuleiten, ein Ernährungstipp und ein entsprechender Rezeptvorschlag, eine Meridian- Massage, eine Meditationsanleitung und immer eine Liste kleiner praktischer Tipps, wie man diese Wandlungsphase zwischendurch im Alltag stärken könnte. Immer auch der Hinweis, sich gegebenenfalls »Hilfe von außen« zu holen, den Weg zur Ärztin oder zum Psychotherapeuten zu suchen.
In der Sprache wiederholt sich so vieles viele Male. Das kann man redundant und ermüdend finden. Doch glaube ich, dass es für die gedachten Adressaten des Buches genau richtig so ist: Wie auch im Qigong-Unterricht ist es die vielfältige Wiederholung der neuen Begriffe, die zu einem wachsenden Verständnis führt, zu Vertrautheit und uns hilft, uns das Neue zu eigen zu machen.
Dies soll ein Selbsthilfebuch sein. Ein Anspruch, der selten gut eingelöst wird, dem Angela Cooper aber durchaus gerecht wird. Dazu gehört auch, dass es zu allen Übungen Videos gibt, die sich über einen Link aufrufen lassen. Am möglichen Aufruf von digitalen Zusatzinformationen über die herunterzuladende Springer-App bin ich allerdings gescheitert. Und bevor es mich nach einigen vergeblichen Versuchen zu sehr gestresst hätte, habe ich es lieber aufgegeben.
Ein sehr empfehlenswertes Buch, nicht nur für alle Burnout-Gefährdeten, sondern auch für alle Unterrichtenden, die die erschöpften, gestressten Menschen in ihren Kursen haben.