TQJ 2/2023

Rezensent:
Georg Patzer

Catherine Despeux:
Daoismus und der menschliche Körper: Die Karte zur Kultivierung der Vollkommenheit
übersetzt von Nicolaus Bornhorn, Mediengruppe Oberfranken 2021, 324 S. geb., € 39,90
ISBN 978-3964741868

Ein Buch für Hardcore-Qigongler*innen, dieses Buch über eine alte Karte des menschlichen Körpers: »Auf der Karte befindet sich im unteren Teil des Körpers, direkt unterhalb des Trapezes mit den Kreisen und Namen der Höllen, eine Art spitz zulaufender Klinge, darin die Inschrift ›Blasebalg‹. Daneben stehen zwei weitere Texte: ›Von dort aus macht der gewöhnliche Mensch sich auf den Weg zum Tod, der Heilige aber beginnt dort seinen Aufstieg.‹« Danach weist die Autorin in ihrem Kapitel »Die Feuerungsphasen« darauf hin, dass das Bild des Blasebalgs an das fünfte Ka- pitel des Daodejing erinnert.

Es geht um die berühmte »Karte zur Kultivierung der Vollkommenheit«, eine sehr ausführliche und genaue Zeichnung, die von daoistischen Meistern zum Lernen der Inneren Alchemie verwandt wurde. Seit dem zehnten Jahrhundert entstanden in China Darstellungen des menschlichen Körpers, seiner Anatomie und Physiologie. Diese in China berühmte Karte, die in Catherine Despeuxs Buch in allen Einzelheiten und vielen Ausschnittvergrößerungen gezeigt wird, umfasst die wesentlichen Organe und »Leibinseln« im Körper, ebenso die Kräfte, die man mit bestimmten Übungen entwickeln kann. Dazu die Körpergottheiten, Höllen und Paradiese – auch sie können metaphorisch oder real verstanden werden, für viele Daoisten waren es tatsächliche Wesenheiten.

Wichtig war die Karte vor allem dafür, diese geheimnisvolle innere Landschaft zu Prozessen der Umwandlung und Selbstkultivierung zu benutzen: also für die »Donnerriten« und die Innere Alchemie mit Übungen wie denen, die heute Qigong heißen. Wichtig waren dafür auch die Inschriften und danebenstehenden Kommentare.

Catherine Despeux hat schon vor zehn Jahren die Karte, ihre Geschichte und die verschiedenen Versionen analysiert, beschrieben und in Frankreich veröffentlicht. Die neue deutsche Ausgabe ist noch um einige Details erweitert. Präzise und erschöpfend erklärt die Professorin für Ostasienwissenschaften die Texte und die Bilder, ihre Symbolik und ihre Bedeutung. Geht auf die Welt der Gottheiten ein, die alchemistischen Hauptorte und neben anderen Methoden auch auf die »Donnerverfahren«. Das ist theoretisch sehr anspruchsvoll und sicherlich nur für einen kleinen Leserkreis interessant. Wahrscheinlich auch nur für Theoretiker, denn die Umsetzung in die Praxis benötigt hierfür eine Lehrkraft, die sich damit sehr gut auskennt. Wenn es überhaupt gelingt. Die an Theorie und Geschichte Interessierten finden in diesem Buch für einige Monate wunderbares Futter.