Tai Chi Chuan – Die 48-Bilder Beijingform – Fünf Familienstile vereint
Independently published 2022, 232 S., TB, € 24,95
ISBN 9788357278180
Jan Leminsky hat nach 2017 ein weiteres Buch zu den Formen geschrieben, die in der VR China »offiziell« entwickelt wurden. 2017 widmete er sich der 24er- Form, die in China als die grundlegende Form gilt (vgl. Rezension in TQJ 3/18 oder auf www.tqj.de). Sein zweites Buch behandelt nun die 48er-Form, die 1976 entwickelt wurde und die fünf Familien-Stile (Chen-, Yang-, Sun-, alter und neuer Wu-Stil) gewissermaßen vereint, denn aus all diesen Stilen wurden Figuren für die 48er-Form genommen. Das ist schon einzigartig und bedeutet natürlich eine erhöhte Anforderung an die Übenden, denn sie müssen sich ja mit den verschiedenen Charakteristika auseinandersetzen.
Es ist sicherlich auch eine besondere Anforderung für jemanden, der ein Buch darüber schreibt. Jan Leminsky hat sich dieser Aufgabe gestellt und entschieden, den Theorieteil relativ klein zu halten und dafür den Praxisteil ausführlich zu gestalten. Im ersten Teil (Theorie) geht er kurz auf die chinesichen Denkschulen (wie Yijing, Daoismus, Konfuzianismus), innere Kampfkünste und die Geschichte des Taijiquan und der 48er-Form ein sowie die Charakteristika der fünf Stile. Das alles ist recht knapp und insbesondere bei den Charakteristika frug ich mich, ob er da nicht hätte ausführlicher sein sollen. Doch vermutlich wäre das Buch wohl dadurch nicht verständlicher geworden. Denn gerade die Unterschiede der Stilcharakteristika kann man wirklich nur durch die Praxis lernen, und so kann ich gut verstehen, dass Jan Leminsky hier »die Würze in der Kürze« sieht.
Der Praxisteil beginnt mit Grundlagen. Die Stände und Handhaltungen werden gut bebildert erklärt und dann beschreibt Jan Leminsky die »fünf Punkte«: Die beiden Haltungspunkte Baihui und Mingmen, die für die Körperstruktur von zentraler Bedeutung sind, vom Bewegungspunkt Dantian werden die Bewegungen geführt und zwischen den Strömungspunkten Yongquan und Laogong entsteht beim Üben eine Verbindung. Beendet werden die Grundlagen mit einem Abschnitt zu Jin. Auch hier bleiben die Erläuterungen eher knapp, aber völlig ausreichend – zumal dieses Buch sich nicht an Anfänger*innen richtet und Menschen mit Vorerfahrung können mit den Beschreibungen bestimmt gut üben.
Dann kommt die Darstellung der Form, die den größten Teil des Buches einnimmt. Wie in seinem Buch zur 24er- Form gibt es zu jedem Bild eine ausführliche Bewegungsbeschreibung mit Fotos und eine »Kampfkunst-Idee«, eine mögliche Anwendung, die neben der Beschreibung diesmal mit Zeichnungen veranschaulicht wird. Das ist eine gute Idee, denn sie sind übersichtlicher als Fotos. Auch dieser Teil erscheint mir gelungen, dennoch ist es natürlich sehr schwierig bis unmöglich, danach die Form neu zu lernen. Aber so ein Buch richtet sich ja an Menschen, die die Form im Unterricht lernen oder gelernt haben. Ich konnte mich noch an einige Figuren erinnern. In den 90er Jahren wollte ich diese Form mal lernen – doch dann hatte ich so viel anderes zu üben. Schade irgendwie. Schade ist auch, dass der Autor nicht erwähnt, welche Figur aus welchem Stil kommt.
Abschließend beschreibt Jan Leminsky, wie er die Form für Wettkämpfe angepasst hat. Einerseits hat er Figuren ausgelassen, da man ja in der Regel nur vier bis fünf Minuten Zeit hat. Anhand einiger Beispiele stellt er dar, wie er Figuren entsprechend der Anwendungen im Kampf dynamisiert, um den Wertungsrichter*innen die Vielfalt der Bewegungen zu zeigen. Gut gefallen hat mir auch der letzte Text, der sich an Unterrichtende wendet und in dem Jan Leminsky darlegt, wie sich die 48er-Form in sein Unterrichtskonzept einfügt und dass man sich als Unterrichtende*r genau überlegen sollte, was zum jeweiligen Entwicklungsweg der Schüler*innen passt.
Fazit: Jan Leminsky hat ein Buch geschaffen, dass für alle Übenden der 48er-Form eine gute Hilfe für ihre Praxis sein wird. Leider ist es nicht im normalen Buchhandel, sondern nur über Amazon erhältlich. Doch so hat der Autor die Produktionskosten niedrig halten können und ein bezahlbares Buch für eine recht begrenzte Leserschaft erschaffen; denn die 48er-Form ist nicht besonders populär – obwohl sie sehr interessant ist.