TQJ 2/2023

Rezensentin:
Dietlind Zimmermann

Dr. Christian Dewanger:
Vom Dao zum Gong Fu. Betrachtungen zur Kosmologie und Praxis im Taijiquan
BoD 2022, 90 S. brosch., € 14,99,
ISBN 978-3-7562-5618-1

Dies schmale Bändchen hat es in sich… Ich habe es mit großem Interesse gelesen. Wenn in Bezug auf Taijiquan die theoretischen Hintergründe dargestellt werden, geht es meist um den Daoismus, seltener um weitere Quellen und Modelle wie das Yijing, die fünf Wandlungsphasen oder die Konzepte der chinesischen Medizin wie die drei Schätze oder die Organfunktionskreise.

Christian Dewanger ist studierter Pädagoge und Psychologe. Als solcher wirkt er als Dozent an der Europa-Universität in Flensburg. Taijiquan, das er seit 1996 praktiziert, unterrichtet er deshalb »nur« nebenberuflich. Man versteht bei der Vita sofort, dass sein grundlegendes Interesse ist, den Menschen und seine Stellung in der Welt zu erforschen – und dass er Taijiquan auch als einen solchen Weg versteht.

Und so lädt er mit diesem Buch andere Praktizierende ein, ihm bei seiner bewusst ganz persönlich gefassten Zusammenschau der Grundlagen dieser Übungspraxis zu folgen. Dabei bezieht das Buch nicht nur viele Themen ein, die in anderen Werken kaum berührt werden, es spannt auch einen ganz großen Bogen: vom Dao zum Gongfu. Das meint: von der Quelle, dem unbenennbaren Ursprung bis zu unserer Praxis in der inneren Ausrichtung des Gongfu, einer »Meisterschaft durch beharrliches Üben«.

Das Buch hätte auch Tian–Di–Ren heißen können. Denn auf diese Dreiheit Himmel-Erde-Mensch bezieht sich Christian Dewanger immer wieder. Geht es doch darum, auf wie vielfältige Weise der Mensch eingebunden ist ins Ganze und was diese besondere Rolle der Mittelstellung und des Vermittlers zwischen Himmel und Erde ausmacht. Große Bedeutung fällt dabei dem menschlichen Bewusstsein zu. Und hier kann uns der Psychologe auf eine wirklich interessante Deutungsreise mitnehmen.

Wer sich auskennt, wird ihm zustimmen, dass vor allem die Lehre der fünf Wandlungsphasen eines der ältesten psychosomatischen Konzepte ist. Selten habe ich dies aber so differenziert und vor allem anhand der Übungspraxis und in Bezug auf Persönlichkeitsentwicklung und -stabilisierung dargelegt bekommen: Einmal anhand des Zusammenspiels der Leitbahnen (Meridiane) im nährenden Zyklus der fünf Wandlungen und einmal anhand der Qigong-Übung des Kleinen Himmlischen Kreislaufs.

Das Buch ist gewiss keine Bettlektüre, da es sehr kompakt westliches und östliches Wissen um den Menschen zusammenführt. Der Autor versucht es uns leichter zu machen, fügt immer wieder Grafiken zur Illustration ein, die meist auch wirklich hilfreich sind.

Aber für mich lohnt sich die kleine Mühe allemal. Denn dies schmale Buch ist ein Solitär in der Landschaft der Taijiquan-Bücher. Und wer sich dafür interessiert, warum Taijiquan- und Qigong-Praxis tief in unser Menschsein hineinwirken können, der wird dies Buch mit Gewinn lesen.