Klemens J. P. Speer:
Taiji und Daoismus im Westen. Mit Übungen für Anfänger und Fortgeschrittene
Lotus Press 2022, 239 S., TB, € 16,80,
ISBN 978-3-935367-84-4
Nach unter anderem »fünf Büchern des Dao« schrieb Klemens Speer in einer Vorankündigung zu seinem neuen und – so angekündigt – letzten Buch, habe er versucht, auf den Punkt zu bringen, was er bisher über sitzende und bewegte Meditation (Taijiquan und Qigong) geschrieben habe. Wir bekommen unter dem Titel »Taiji und Daoismus im Westen« also die Essenz der Überlegungen, die ein seit Jahrzehnten Unterrichtender sich über unsere Übungswege und ihre Bedeutung für unsere persönliche, gesellschaftliche und kulturelle Evolution gemacht hat.
Sein zentraler östlicher Bezugspunkt ist dabei der Daoismus, sein westlicher im Schwerpunkt die Integrale Philosophie und Psychologie von Ken Wilber. Wer Lust auf eine Art »Druckbetankung« zu östlichen und westlichen Hintergründen und Einordnungsmöglichkeiten unserer Übungswege hat, ist hier richtig. Und wer Lust auf einen Autor hat, der nicht müde wird, die Bedeutung unserer individuellen und spirituellen Entwicklung für eine gedeihliche Entwicklung der ganzen Menschheit herauszustellen, und deshalb unser gesellschaftliches Engagement und unsere Einmischung im politischen Raum fordert, der wird sich bei der Lektüre dieses Buches positiv angesprochen fühlen.
Bei Letzterem allerdings bedauere ich, dass Klemens Speer einzig den Daoismus als Quelle für eine entsprechende Haltung heranzieht. Für die Notwendigkeit der Verknüpfung von individueller Tugend und gesellschaftlichem Engagement scheinen mir die Daoisten nur bedingt die geeigneten Gewährsleute. Fündiger wird man zu diesem Thema eher bei Konfuzius, seiner Lehre von »Maß und Mitte«, seiner kompromisslosen Forderung, das Individuelle mit dem Kollektiven und den Gesetzen des Himmels (Dao) in Einklang zu bringen. Auch wenn es um Lehren und Lernen geht, darum, welcher Weg wie begangen werden muss, damit uns eine Selbstkultivierung zum »wahren Menschen« gelingt, wird man bei Konfuzius fündig werden. Bedauerlicherweise hat er in der Taijiquan- und Qigong-Szene einen schlechten Leumund und wird deshalb wenig rezipiert. Schade – besonders an dieser Stelle.
Ebenso bedauere ich, dass dies Buch ein aufmerksames Lektorat vermissen lässt. Seien es nicht mit den Hinweisen im Text abgeglichene Bildunterschriften und -nummerierungen (nahezu durchgehend zum Beispiel in Kapitel 8), sei es, dass die Inhalte der Kapitelüberschriften sich nicht immer im folgenden Kapitel einlösen, sei es die gelegentlich »kreative« Kommasetzung. Dies alles erschwert die Lektüre, die inhaltlich durchaus anspruchsvoll ist.