Ralph Marc Steinmann:
Spiritualität – Die vierte Dimension der Gesundheit. Eine Einführung aus der Sicht von Gesundheitsförderung und Prävention
LIT 2012, 120 Seiten br., EUR 19,90 (D)
ISBN 978-3-03735-247-2
In der gegenwärtigen Diskussion über unser Gesundheitssystem, speziell über die Gesundheitsförderung und Prävention wird die Spiritualität völlig ausgeklammert, obwohl in der Bevölkerung das Interesse daran ständig zunimmt und der Esoterik- und Wellness-Markt ungebremst expandiert. Um die Untersuchung dieses Phänomens geht es in der Studie »Spiritualität – Die vierte Dimension der Gesundheit«, die in der Reihe »Psychologie des Bewusstseins« erschienen ist, herausgegeben von Prof. Wilfried Belschner und Prof. Harald Walach.
Ralph Marc Steinmann, promovierter Indologe und Religionswissenschaftler, hat sie im Rahmen seines Masterstudiums in Gesundheitsförderung und Prävention mit Unterstützung der Gesundheitsförderung Schweiz geschrieben. Das erklärt den wissenschaftlichen und manchmal recht trockenen Stil des Textes mit vielen Zitaten und Literaturverweisen, in den man sich zunächst mal einlesen muss. Dennoch spürt man deutlich das eigene Interesse des Autors am Thema »Spiritualität«. Mutig auch die Selbstreflexion am Ende der Studie, in der er sein persönliches Erleben damit beschreibt.
Die Studie beginnt mit einer kurzen Beschreibung des Gesundheitsmarktes, speziell der Bereiche Wellness, Therapie und Esoterik und deren Anbieter, gefolgt von einer Darstellung, welche Haltungen die verschiedenen Wissenschaftsbereiche der Spiritualität gegenüber einnehmen, speziell Medizin, Theologie, Philosophie und Psychologie. Der Autor zeigt auf, dass in all diesen Bereichen in den letzten Jahren eine langsame Veränderung stattfindet, die früher ablehnende Haltung schwindet und eine zunehmende Öffnung für spirituelle Themen zu beobachten ist.
Die mögliche Erweiterung des Konzeptes »Gesundheit« durch die spirituelle Dimension wird beispielhaft an zwei verschiedenen Modellen aufgezeigt. Aaron Antonovsky geht in seinem salutogenetischen Modell von der Annahme aus, »dass der Gesundheits- bzw. Krankheitszustand eines Menschen wesentlich durch die individuelle Grundhaltung gegenüber der Welt und dem eigenen Leben bestimmt wird«, dem sogenannten Kohärenzgefühl, das existentielle Fragen einbezieht und damit auch die spirituelle Dimension. Ähnlich geht das Modell der integralen Gesundheit von Wilfried Belschner, bis 2006 Psychologieprofessor an der Universität Oldenburg, von den Prämissen Sinnsuche und Sinnfindung durch das Eingebundensein des Menschen »in etwas über ihn Hinausweisendes« aus. Dieses Modell wendet Ralph Marc Steinmann an auf die Gesundheitsförderung und will die Integration der spirituellen Dimension in die Gesundheitsförderung nicht als »etwas Besonderes oder gar Absonderliches verstanden wissen, sondern als eine wichtige, innovative und folgenreiche Erweiterung«. Interessant ist das Kapitel über die Begriffsdefinition »Spiritualität« und »spirituelle Gesundheit« sowie deren Abgrenzung gegenüber »Religion« und »Religiosität«. Das Buch schließt mit Schlussfolgerungen, in denen der Autor fordert, die bisherigen drei Dimensionen der Gesundheit, nämlich die physische, die soziale und die psychische, durch die spirituelle Dimension zu ergänzen.
Insgesamt liefert das Buch viel Diskussionsstoff und gibt positive Anregungen, wie das Verständnis von Gesundheitsförderung erweitert werden kann, gerade im Hinblick auf Qigong. Denn auch in China ist zu beobachten, dass das Qigong von seinen spirituellen Wurzeln abgeschnitten und auf »medizinisches« Qigong reduziert worden ist. Eine neue spirituelle Verwurzelung wird dem Qigong und unserem Gesundheitssystem gut tun.