TQJ 1/2018

Rezensentin:
Dietlind Zimmermann

Jan Silberstorff (Hrsg.):
Das Qingjingjing – Das heilige Buch von der Stille und der Klarheit. Ein legendärer Text von Laozi
Lotus Press 2016, Hardcover, 105 Seiten, € 22,95
ISBN 978-3-945430-50-6

Von Jan Silberstorff, Linienhalter in der 20. Generation des Chen-Stil Taijiquan, sind bei Lotus Press in den letzten Jahren schon Übersetzungen und Kommentare zum Daodejing von Laozi erschienen. Der dritte Band untersuchte diesen bedeutenden und wohl bekanntesten Text des Daoismus im Hinblick einer Übungsanleitung fürs Taijiquan.

Nun legt er eine neue Laozi-Übersetzung vor. Der Text ist bei uns weithin unbekannt, auch wenn er in China Teil des daoistischen Kanon ist: „Qingjingjing“, übersetzt von Jan Silberstorff mit „Das heilige Buch von der Stille und der Klarheit“. Er ist, wie der Übersetzer in der Einleitung ausführt, mit 380 Schriftzeichen wesentlich kürzer als das berühmte Daodejing und seine Zuordnung zu Laozi als Autor ist eher eine Ehrerbietung vor dem „Alten Weisen“ und ein Hinweis auf die hohe Bedeutung, die man dem Inhalt des Textes zuwies. Laut Jan Silberstorff wurde das Qingjingjing vor allem in Kreisen der Inneren Alchemie verehrt und ist bis heute „einer der wichtigsten Bestandteile in der daoistischen klösterlichen Ordensschule der ‚vollständigen Vervollkommnung‘“. Sein besonderer Wert liegt in seinen klaren Hinweisen zur inneren Praxis. Wie alle daoistischen Texte wird das, was die Texte andeuten, beim Leser oder der Leserin aber wohl erst dann aufleuchten (und ihnen also einleuchten), wenn die eigene Übungspraxis ein Verständnis möglich macht.

Nach meiner Lektüre teile ich Jan Silberstorffs fast emphatische Begeisterung. Er schreibt, dieser Text „ist in seiner Tiefe so umfassend, dass für den inneren geistigen Weg sowohl zu Wahrnehmung als auch zur Vollendung des Dao auf der Ebene der meditativen Versenkung prinzipiell alles gesagt ist“. Selbst einzelne Zeilen berühren mich beim Lesen in der Tiefe. Der Text geht in mir in Resonanz mit Räumen, die sich in der Meditation öffnen. Er bietet Bestätigung, Ermutigung und Begleitung der Meditationspraxis.

Hinzu kommt die Besonderheit, dass im Qingjingjing buddhistisches Denken mit daoistischem verschmolzen ist. Zwei Schulen innerer Kultivierung, die man sonst je einzeln studieren muss, obwohl sie beide in unsere praktischen Übungsmethoden eingeflossen sind. Dies so prägnant in wenigen Worten verbunden zu finden, empfinde ich als Schatz.

Das schön gestaltete Buch leuchtet in der Einleitung kurz die Hintergründe aus. Die sechs Abschnitte des Textes sind auf Chinesisch und Deutsch abgedruckt. Es folgt ein Anmerkungsteil mit Übersetzungsvarianten, der hilfreich ist, um das Verständnis zu vertiefen. Schließlich gibt es noch ein Wörterbuch von Manuela Schönfeld, das in der Textabfolge alle Schriftzeichen aufführt, so dass Interessierte selbst Verständnisvarianten suchen und wägen können.

Dies Buch ist ein Geschenk für diejenigen, die in ihrem Üben die Verbindung von Philosophie und Praxis suchen – und finden.