TQJ 03/2010

Rezensentin:
Elvira Glück

Sheng Yen:
Fußspuren im Schnee – Autobiografie eines buddhistischen Mönchs aus China
Theseus 2010, 288 Seiten, 24,95 EUR (D)/25,70 EUR (A)
ISBN 978-3-89901-286-6

Sheng Yen (1930 – 2009) ist einer der bekanntesten Meister des chinesischen Chan-Buddhismus, der mehr als 50 Bücher veröffentlicht hat. Doch in Deutschland kennt man ihn kaum und seine Autobiografie ist das erste Buch, das jetzt auf Deutsch erschienen ist. Allein diese Tatsache zeigt, dass der Chan-Buddhismus hierzulande weitgehend unbekannt ist, obwohl sich daraus die wesentlich bekanntere Form des Zen entwickelt hat und auch einige Qigong-Formen und Kampfkünste darin verwurzelt sind.

Die Autobiografie fasziniert, weil sie authentische Einblicke in die Geschichte Chinas im 20. Jahrhundert mit all ihren politischen, sozialen und kulturellen Umbrüchen und Ausein-andersetzungen gibt, die aber immer dargestellt werden aus der Sicht des Mönches, der aus ärmlichen Verhältnissen stammt und viele Schwierigkeiten in seinem Leben meistert. Früh konfrontiert mit den degenerierten Formen des Buddhismus, den Auswüchsen der Kulturrevolution und dem schwierigen Leben eines Soldaten in Taiwan, weicht er doch niemals von seinen ethischen und spirituellen Grundsätzen ab. Konsequent und zutiefst bescheiden geht er seinen eigenen Weg und wird zu einem der großen buddhistischen Lehrer seiner Zeit, der den Chan-Buddhismus in China reformiert und eine westliche Form der Lehre entwickelt und in Amerika verbreitet hat.

»Wenn der andere dich angreift, musst du dein Ichgefühl loslassen. Dann wird dein Gegner nicht wissen, wie er dich angreifen soll. Warum? Weil er nicht weiß, wo er dich angreifen soll. Das ist die Lehre des Nicht-Ich, Nicht-Geist.« So lehrte Sheng Yen seine ersten amerikanischen Schüler. Das Wichtigste beim Erlernen der Kampfkünste ist demnach die Schulung des eigenen Geistes entsprechend dem Chan.
In einfachen klaren Worten gelingt es ihm, den buddhistischen Stufenweg darzustellen, von der Sammlung des Geistes, über die Einung des Geistes bis hin zum Nicht-Geist. Ungewöhnlich offen beschreibt er auch seine eigene buddhistische Praxis und seine Meditationserfahrungen ohne jemals seine Bescheidenheit zu verlieren. Ein schönes, auch den Qigong-Weg inspirierendes Buch.