TQJ 03/2012

Rezensent:
Georg Patzer

Martin Schmid:
Integrale Bewegung. Grundlagen, Übungen, Anwendungen

Books On Demand 2010, 336 Seiten, 22,90 EUR
ISBN 978-3842327788

Nein, keine neue Theorie, kein neues System. Ganz im Gegenteil: die Essenz. Anwendbar in Kampfkunst, Yoga, Pilates, Taijiquan und Qigong und sogar in der Muckibude. Mit Auswirkungen auf die Gesundheit und die zwischenmenschlichen Beziehungen. Wie jedes gute Bewegungssystem eben. Eigentlich ist es pures Qigong, was Martin Schmid in seinem Buch über die »integrale Bewegung« vorstellt. Vielleicht sagt ein Yoga-Schüler, es sei pures Yoga. Was ist es also? Eine Reihe von Überlegungen und eine Reihe von Übungen, die diese Überlegungen erfahrbar machen.
Es geht um Bewegung, um »richtige« Bewegung. Um den Körper und wie man ihn entspannen kann, damit er, endlich, »richtig« funktioniert. Richtig heißt, und der Autor erklärt das systematisch, der Körper soll sich zentrieren, öffnen, ausdehnen, verbinden und integrieren (da er es englisch benennt, heißt es bei ihm center, open, expand, blend und integrate – zusammengefasst »Coebi« oder schweizerisch »Köbi«).
Wichtig ist ihm, dass es keine statischen Zustände sind, sondern bewegte Zyklen, die man sich auch so zunutze machen kann, in »selbstverstärkenden Zyklen«, zum Beispiel beim Öffnen als Wachstumszyklen, beim Blend als »Vernetzungszyklen«. Wichtig ist ihm auch, dass wir die richtige Struktur entwickeln, denn wir sollen zwar entspannen, aber nicht abschlaffen. Er schlägt dafür die »Tensegrity«-Struktur vor, die wir in uns entwickeln können und in der wir uns auch bewegen lernen können.
Wie gesagt, das ist alles nicht neu für den aufmerksamen Qigong- oder Taiji-Lehrling. Auch nicht für Yoga-, Felden-krais- oder Franklinschüler, von letzteren scheint er die Kunst des sinnvollen und sinnlichen Visualisierens und Spürens übernommen zu haben. Aber immerhin ist es schön, das alles, bis zur Spiralbewegung, auch mal wieder systematisch aufgezählt zu bekommen. Sehr schön sind vor allem die Übungen, beispielsweise die des Käfers, der unseren Körper als Kontrabass benutzt – eine Übung, mit der wir unsere Fähigkeit zur Resonanz wiederentdecken können. Und dass Martin Schmid weiß, dass sein (und auch unser) Bewegungskonzept viel mit der »Kunst der Begegnung« zu tun hat, mit der Welt, mit den Nächsten, mit sich.
Schön ist vor allem der Ton, in dem Martin Schmid schreibt. Nicht belehrend, nicht von oben herab, sondern offen und sympathisch, entdeckungsfreudig und völlig undogmatisch. Alles zusammen macht aus seinem schmalen, schön sachlich aufgemachten Buch ein Werk, aus dem viele noch etwas lernen können.