TQJ 1/2021

Rezensent:
Georg Patzer

Lee Li-Chun:
Körper bilden. Körperdarstellungen in der europäischen und chinesischen Medizin
Transcript 2019, 312 S. TB, € 39,99,
ISBN 978-3-8376-4801-0

Innen und Außen hängen zusammen – das ist ein Glaubenssatz, den wir im Taijiquan und Qigong ganz am Anfang lernen. Er gilt auch in der Medizin, jedenfalls in der chinesischen: Da bildet sich außen ab, was innen passiert, und man kann außen, an manchen Punkten, mit Nadel, Druck oder Wärme intervenieren und das Innere wieder in eine Harmonie bringen, bevor es sich als Krankheit äußert.

Diese Beziehung »ergibt sich aus der Tatsache, dass die inneren Organe und äußeren Teile des Körpers eine lebendige, organische Einheit bilden. So erlaubt sie es dem chinesischen Mediziner, die dem ständigen Wandel unterworfenen, mannigfaltigen Phänomene, die sich an den äußeren Körperteilen zeigen, als Zustände der im tiefen Körperinneren befindlichen Eingeweide zu deuten.« Und er kann »das, was sich äußerlich am Körper manifestiert (…) zugleich mit der Kraft, die stets im äußerlich Sichtbaren am Werk ist, zusammendenken.«Dieses hochspannende Buch arbeitet sehr klar die Unterschiede zwischen westlichem und östlichem medizinischem Denken heraus: hier die Zusammenschau, dort die Analyse. Sehr kenntnisreich führt er bis Platon und Aristoteles zurück, bleibt aber auch am menschlichen Körper, der seit jeher unterschiedlich gesehen und behandelt wird.

Der Autor zeigt anhand von klassischen Darstellungen, wie wichtig für den Westen die Anatomie war und ist und wie sich das in aufklappbaren, schematischen Bildern zeigt, in denen Muskeln, Nerven und Blutgefäße unterschiedlich dargestellt werden.

Sehr klug geht er auch auf die unterschiedliche Begrifflichkeit ein, mit der Teile des Körpers bezeichnet werden, erklärt die Grundkonzepte etwa von»pneuma« und »qi«: »Wolken-Hauch« hieß Qi ganz früher, später zeigte das Zeichen den Dampf von kochendem Reis. Qi gilt als »Medium des Lebendigen«. Und heißt mal dies, mal das: »Lebensenergie«, dieser schwache Ersatz für die schöne chinesische Vieldeutigkeit, sagt ja auch eigentlich gar nichts aus.

Lee Li-Chun entwirft in klaren Worten eine »Kartogra e des Taktilen«, beschreibt die »auf den Körper geschriebenen Linien und Punkte« und sucht eine »angemessene Sprache für den Puls«. Mit Exkursen in die Kunst- und Musikgeschichte bietet er erhellende Momente, die sich auch für unsere Praxis eignen, wenn er zum Beispiel vom Sichentfalten einer Blume spricht – auch ein schönes Bild für das Qi, das vom Dantian in die Fingerspitzen ießt. Solange man es nicht fühlen kann.