TQJ 01/2015

Rezensent:
Georg Patzer

Jochen Kuhn / Jumin Chen:
Führung: Vom Denken zum Fühlen: Die Kunst des Managements bereichert durch fernöstliche innere Künste
Windsor 2013, 240 Seiten, 21,90 EUR

ISBN 978-1938699788

Ja, wenn es mal so einfach wäre: »Schaffen Sie Freiräume, damit Ihre Mitarbeiter auch wieder kreativ arbeiten können. Verzichten Sie so weit wie möglich auf Modelle und Vorgaben und lassen Sie Ihren Mitarbeitern Raum zur Entfaltung. Gelangen Sie so zu Lösungen, die sich nicht aus Fachbüchern und ›neuen‹ Modellen ableiten oder gar kopieren lassen.« Nein, so einfach ist es natürlich nicht. Denn auch Jochen Kuhn als ehemaliger Manager und Managementberater weiß, wie schwierig es ist, Verantwortung und Macht an andere abzugeben: »Dies ist ein Kernaspekt der Managementinnovation und sicher derjenige, welcher Managern am schwersten fallen dürfte.« Manager möchten ihre Umwelt so übersichtlich wie möglich haben, die Fäden nicht aus der Hand geben.
Jochen Kuhn ist aber auch seit vielen Jahren Schüler von Jumin Chen. In einem neuen Buch hat er versucht, die Lehre und vor allem die Praxis des Yiquan auf den Bereich zu übertragen, den er am besten kennt: das Führen eines Betriebs. Es gibt ja immer wieder Versuche, Taijiquan auf das Leben zu übertragen, auch die Verbindung von Innerer Kampfkunst und Management ist nicht ganz neu. Jochen Kuhn geht systematisch vor, indem er die Yiquan-Prinzipien von Jumin Chen, die er »Essenzen« nennt, Kapitel für Kapitel auf Theorie und Praxis des Managements anwendet.
Das sieht dann so aus: »Die Wahrnehmung des Körpers wird mit zunehmender Übung immer feiner. Nach einiger Zeit spürt man jeden Millimeter seines Körpers«, schreibt Jumin Chen. Und Jochen Kuhn überträgt das so: »Mit zunehmender Erfahrung nehmen auch die Fähigkeiten in der Führung zu. Man entwickelt ein immer besseres Gespür für Menschen, für die gesamte Organisation, für das Umfeld.« Er führt diese Idee über mehrere Seiten weiter aus, springt dabei hin und her: »Wir sind am Anfang wie ein Yiquan-Anfänger sehr an der Oberfläche beschäftigt. Erst mit der Zeit lernt man die Details und Feinheiten der Organisation kennen« … »Im Yiquan gehen wir oft zurück an die Anfänge, um uns nicht in den falschen Details zu verlieren« … »Oft sind Manager überfordert mit der Vielfalt an Anforderungen und kümmern sich dann am liebsten um kleine Nebensächlichkeiten.«
So streift Jochen Kuhn alle Bereiche des Yiquan-Trainings (Shen, Yi, Qi, Li und Xing) und des Managements (Führung, Selbstführung, Strategie, Wettbewerb, Produktentwicklung und Burn-out-Gefahr). Ob sich seine Ausführungen wirklich einfach umsetzen lassen, mag man bezweifeln. Unbezweifelbar ist aber, dass sie wichtige Hinweise geben und dass sie uns wieder einmal aufmerksam darauf machen, was wir eigentlich wirklich trainieren: nämlich das ganze Leben.