TQJ 01/2014

Rezensent:
Georg Patzer

Rainer Maria Kohl:
Das Tao der Übung. Zen-Meditation, innere Kampfkunst und revolutionäre Praxis
mit einem Vorwort von Zen-Meister Pater Ama Samy
Selbstverlag, 172 Seiten gebunden, 25 EUR; zu bestellen über 
mail@rainer-maria-kohl.de, www.easy-is-right.com

Wohin führt uns eigentlich dieses jahrelange Training von Taijiquan und anderen inneren Kampfkünsten oder Qigong? Dieses ständige Loslassen, Entspannen, Erden, in den Himmel Wachsen, Sichverinnerlichen? Die einen immer mehr nach innen, zur Selbstverwirklichung, zum inneren, privaten Frieden … Für Rainer Maria Kohl, Taijiquan-Lehrer in Karlsruhe und Indien dagegen ist klar: »Jede Aktivität, die sich auf Spiritualität, Gottes-Bewusstsein, auf meditatives Tun und auf die Künste des Kampfes beruft und die sich nicht dem Erhalt der göttlichen Schöpfung verpflichtet fühlt und dafür eintritt, ist spirituelle und körperliche Wellness, spirituelle Onanie, die nichts weiter befruchtet als das eigene Ego.« Rainer Maria Kohl ruft »zu einer gewaltigen und gewaltlosen Revolution auf« und tritt vehement für eine revolutionäre Praxis ein, gegen ein System, das er als »Babylon« bezeichnet: »Die tönernen Beine des Kolosses, die aus Milliarden von abhängigen und isolierten Egos bestehen, werden seinen weltumspannenden Körper nicht länger tragen; er wird stürzen und zerbrechen. Wu-Wei wird alle äußerlichen Aktionen überflüssig machen.«
Nicht gerade wenig, was er erwartet. Und starke Worte. Aber er meint es ernst. Babylon ist für ihn »die Verkörperung des Ego; des individuellen Ego und des kollektiven Ego. Angeregt und inspiriert von der Religion und dem Gedankengut der Rastas, steht Babylon für alles, was den Menschen von seiner Freiheit abschneidet, (…) was ihn an seiner Selbst-Verwirklichung hindert. (…) Babylon ist eine Gedankenform. Sie besteht durch die hörige Zuwendung von Milliarden von Menschen.«
Sehr weit holt Rainer Maria Kohl aus, um sich zu erklären. Mit viel Emphase und Pathos streift er die politischen und ökonomischen Gegebenheiten, das leidige Geldverdienen auch der Qigong-Lehrer und die allgegenwärtige Gier, die aus diesem »üblen Trick« des Geldes resultiert. Er spricht von der »Zinssklaverei«, unter der die Länder der »Dritten Welt« leiden, und beklagt sich, als ehemaliger Erzieher, über die herrschende »Erziehung zum Gehorsam«.
Was ist zu tun? Für Rainer Maria Kohl ist der einzige Weg daraus ein Weg der Selbsterkenntnis. »Ich bin das auch! Das alles. Das Schlechte, Gemeine und Böse, das bin ich! Ebenso wie das Gute und Edle; das alles bin ich!« Das ist sein Weg des Dao. Meditation, also Innenschau, und Taijiquan sind für ihn das Handwerkszeug, um zu dieser Erkenntnis zu kommen und sich daraufhin von Babylon abzukoppeln, nicht mehr mitzumachen. Dabei will er das Ego nicht abtöten, sondern transformieren. Er beruft sich unter anderem auf Jesus, Hermann Hesse, Osho, Krishnamurti und meint apodiktisch: »Wachstum und Erleuchtung sind Pflicht, nicht Kür.«
Das für Menschen, die ebenso sehr links stehen wie Rainer Maria Kohl, sehr sympathische Buch hat für alle anderen ab und zu einen etwas rechthaberischen Beigeschmack. Wie das alles genau zu machen sei, davon handelt es nicht: Ein zweites, mit auch praktischen Hinweisen, ist in Vorbereitung. Insgesamt ist das Buch aber ein sehr spannender Exkurs in die Politik, ein Aufruf zur Verweigerung der Teilhabe an »Babylon«.