TQJ 2/2018

Rezensent:
Markus Wagner

Jonathan Bluestein:
“The Martial Arts Teacher. A Practical Guide to a Noble Way”

CreateSpace Independent Publishing Platform 2017, englisch, 284 Seiten geb.
ISBN 9781976133497

Die meisten von uns unterrichten Taijiquan nicht wirklich in erster Linie als Kampfkunst, trotzdem spielen bestimmte Aspekte von Kampfkunstunterricht in unserer Lehrpraxis eine wichtige Rolle und Erörterungen über die Rolle als KampfkunstlehrerIn können unser Selbstverständnis erweitern. Dazu ist Jonathan Bluesteins Buch gut geeignet.

Jonathan Bluestein, bekannt geworden durch sein mit vielen wertvollen Informationen aufwartendes Buch zur geschichtlichen Einordnung der inneren Kampfkünste „Research of Martial Arts“, gibt in diesem Band Empfehlungen für die materielle und ideelle Organisation von Kampfkunstschulen. Dabei reißt er enorm viele Themen an. Das Inhaltsverzeichnis ist untergliedert in 55 Kapitel, darunter „Leadership“, „Personal Visions“, „What do they really want“, „Contracts and Payments“, „Tests and Ranks“, „Trust“, „Rules“, „Cannot save them all“ und viele andere.

Manche der aufgestellten Thesen können sehr anregend wirken („People need an inspiration. You are it“, „let them feel (…) that they matter“), manche wirken selbstverständlich und etwas aufgepustet (zum Beispiel der Terminus „meritocratic approach“ für grundlegende Gleichbehandlung aller). Wieder andere Aussagen, etwa Disziplinierungsmaßnahmen wie die Benutzung von „Karotte und Stock“ oder die Empfehlungen zum Umgang mit im Weg stehenden Egos von SchülerInnen sind trotz eines teilweise wahren Kerns meines Erachtens mit großer Vorsicht zu genießen.

Bei allem sind zwei Hintergrundphilosophien erkennbar: die Psychologie C. G. Jungs und die konfuzianische Ethik des Großen Lernens. Ob letztere, die gewissermaßen Hand in Hand mit Jonathan Bluesteins Orientierung an strenger Disziplin geht, allerdings mit dem vereinbar ist, was die meisten von uns „Dao-affin“ ausgerichteten Taiji´lern als den Fluss des Lebens bejahend ansehen, scheint mir doch sehr zweifelhaft. 

Für manche wird das „Selbsterfahrungskapitel“ über Ziele und Visionen besonders fruchtbar sein, andere kommen eventuell mit der instrumentellen Umgangsweise mit dem Thema „Lebensglück“ gar nicht gut zurecht. Viele der Beobachtungen geben wichtige Anregungen zum Überdenken der eigenen Gewohnheiten, zum Beispiel die Bemerkungen über die Korrelation von „vom Training Fernbleiben“ und der Wahrscheinlichkeit eines Ausstiegs.

Sehr erfreulich auch das Kapitel über „Shifu – the Chinese Teacher“, in dem der Autor mit der inflationären Falschübersetzung von Shifu mit „Master“ aufräumt und darauf hinweist, dass Shifu (wörtlich: „Lehrer-Vater“) in der Kampfkunst jeweils meineN LehrerIn bezeichnet und grundsätzlich im Zusammenhang dieses persönlichen Bezugs gebraucht wird. Weder gibt es einen Shifu an sich außer für mich: meinen Shifu noch bezeichnet Shifu einen objektiven Rang: Die Bezeichnung Master/Meister (und schlimmer: Grandmaster/Großmeister für Shigung) ist ein Unding, das aus solchem Missverständnis entstanden ist.

Jonathan Bluesteins Darstellung von „typischen“ Arten von SchülerInnen dürfte hilfreich sein, um den didaktisch weniger Geschulten unter uns eine klarere Sichtweise zu vermitteln über das, womit wir täglich umgehen.

Ein Wermutstropfen: die „Bindung“ des Buches, die man kaum eine solche nennen kann. Beim ersten Öffnen verbog sich der unter innerer Materialspannung stehende Einband dermaßen, dass an ein Weiterlesen erst zu denken war, nachdem ich etwas schweren Herzens den Einband einfach komplett abgerissen hatte, was den verbliebenen Torso nicht gerade zu einem Schmuckstück macht.

Zusammengefasst: Manche Thesen im Buch sind etwas selbstgefällig formuliert, andere wirken gar abstrus, aber sehr vieles (oft gerade die Gedanken, mit denen wir am deutlichsten nicht einverstanden sind) hilft, den eigenen Standpunkt zu den aufgeworfenen Fragen klarer zu definieren. Deshalb kann der Band der (kritischen!) LeserIn klar empfohlen werden. Fest steht: Da ist jemand, der sich eigene Gedanken gemacht hat zu einem für die meisten von uns wichtigen Thema!

 

(Anmerkung von Jonathan Blusten: Er bedauert die Art der Bindung und weist darauf hin, dass er bei der CreateSpace Independent Publishing Platform (von Amazon) keinen Einfluss auf die Art der Bindung hatte.)