TQJ 02/2015

Rezensent:
Georg Patzer

Hisayama, Yuho:
Erfahrungen des ki – Leibessphäre, Atmosphäre, Pansphäre
Alber 2014, 136 Seiten, 24 EUR
ISBN: 978-3-495-48634-4

»Mit dem Denkschema der von Schmitz genannten ›psychologisch – reduktionistisch – introjektionistischen Vergegenständlichkeit‹ wird ein Halbding objektiviert und verdinglicht, oder, wie Schmitz es formuliert, ›abgekühlt‹.« Ja, wir sind in einem Hardcore-Philosophiebuch. Der japanische Philosoph Yuho Hisayama, der aus Hermann Schmitz‘ Schule der Neuen Phänomenologie kommt, untersucht das »Ki« oder Qi und er tut es in fachphilosophischen Begriffen. Es geht aber um etwas, das wir alle kennen: Atmosphäre. Wir alle spüren, mal mehr, mal weniger etwas, das wir nicht fassen können, beim Üben von Qigong, in einem Raum mit unseren (Mit-)SchülerInnen …
Yuho Hisayama, der an der Universität Kobe lehrt, nennt das »kehei«, das »›Sich-Ausbreiten‹ des ki«, eine Sache, »die ihm innewohnende (und eventuell angsterregende) Unsicherheit und zum anderen seine unmittelbare räumliche Umfassung der Leibessphäre« beinhaltet. Wenn zum Beispiel in Natsume Sosekis berühmtem Roman »Ich der Kater« der Ich-Erzähler »das Gefühl [hat], Schritte zu hören, die sich vom hinteren Zimmer her der Küche nähern« beziehungsweise genauer »habe ich die Schritte gehört: Mir war das kehei, als ob jemand sich vom hinteren Zimmer her der Küche nähere«.
Oder, in einem anderen Roman, der Held »ohne weiteres sagen [konnte], ob sich hier noch jemand aufhielt oder nicht« beziehungsweise »ob das kehei eines Menschen da war oder nicht«. Für Yuho Hisayama ist das kehei ein »Halbding«, weder Ding noch Empfindung, wie der Wind, der nur solange da ist, wie er gespürt wird: »Es hat keinen Sinn, danach zu fragen, wo sie in der Zwischenzeit gewesen sind.«
Solche feinen Dinge zu spüren, ist schon schwierig genug, sie zu benennen, sie zu definieren, noch schwieriger. Der Autor kreist seinen Gegenstand, die vor allem literarisch niedergelegten Erfahrungen mit dem Ki, vorsichtig ein, ohne allerdings allzu weit damit zu kommen. Aber sein schmales Buch soll auch nur ein erster Ansatz sein, diesen schwierigen Begriff anzureißen. Neben dem kehei ist noch das keshiki wichtig, das er beschreibt, »die äußere Erscheinung eines inneren Zustands«, »die Widerspiegelung eines Gefühls auf dem Gesicht eines Menschen«, so etwas wie »pansphärische Erfahrungen, in denen das Ich und seine Umgebung miteinander verschmelzen«. Auch das kennen wir natürlich, mal stärker, mal feiner. Yuho Hisayamas Buch ist ein erster Ansatz, spannend, aber nicht mehr als ein Ansatz. Wir warten auf mehr.