Hans-Günter Wagner:
Buddhismus in China. Von den Anfängen bis in die Gegenwart
Matthes & Seitz 2020, 1104 S. geb., € 128
ISBN: 978-3-95757-844-0
Qigong erwähnt er nur viermal, Wushu nur einmal richtig, und es gibt einen kleinen Exkurs über den Einfluss des Buddhismus auf die chinesische Heilkunst, auf die vier Elemente der indischen Medizin, die nah an den fünf Elementen der TCM sind. Aber es ist ja auch kein Fachbuch zu unseren Themen: Hans-Günther Wagners Bestreben war es, den gesamten Buddhismus in China von den Anfängen bis zur Gegenwart darzustellen, ein wahrhaftig ambitioniertes Vorhaben. Und es gelingt dem Wirtschaftswissenschaftler, Pädagogen und Sinologen auf mehr als 900 Seiten (plus über 100 Seiten Anmerkungen, Nachweise und Anhänge) bravourös.
Er bringt nicht zu viele Einzelheiten, aber geht vielen Aspekten detailliert nach, referiert die großen Entwicklungslinien und lässt kaum einen Gesichtspunkt dieser weit verzweigten, oft widersprüchlichen Geschichte aus. Das Buch beginnt mit den alten Religionen Chinas und der Ankunft der neuen Religion aus dem Westen – nicht alles kam übrigens aus Indien, sondern oft eher aus den an China angrenzenden zentralasiatischen Reichen, von den Parthern, Soghdern und Kuschanern im Iran: Selbst Bodhidharma könnte, nach einigen Quellen, ein Perser gewesen sein.
Hans-Günther Wagner erzählt von den unterschiedlichen politischen und sozialen Einflüssen, denen der Buddhismus in China ausgesetzt war und die er beeinflusste. Von der Verfolgung der Sangha und ihrer Verbindung mit der Macht, von den verschiedenen Orden und Schulen und den wichtigen, wenngleich oft nicht so beachteten Nonnen und Meisterinnen – noch heute steht eine Zen-Meisterin im Rang unter den Männern. Auch auf die Kultur, die tägliche Praxis geht er ein, auf die buddhistische Symbolik, er diskutiert die Vermischung mit daoistischen Gedanken, die Politik des sozialistischen Chinas und die heutige Situation. Versucht stets, »die Immanenz einer buddhistischen Perspektive mit einer objektivierenden Außensicht zu kombinieren, wohl wissend, dass das Ideal des unabhängigen und wertfreien Forschers mehr Fiktion und Schimäre als Realität ist«.
Mit das Beste an seinem Buch ist, dass er all diese dfferenzierten Darstellungen und Analysen nicht nur leicht verständlich, sondern auch elegant (und manchmal sogar ironisch) formuliert, so dass das Lesen eine wahre Freude ist. Schon jetzt ein Standardwerk.