TQJ 04/2001

Rezensent:
Helmut Oberlack

Thomas Börnchen:
Das chinesische Tempelorakel – Weisheit und Lebenshilfe der Göttin Guanyin
Eigenverlag 2000, DM 29,80, Set (Buch und Becher) DM 89,90

Thomas Börnchen beschäftigt sich seit 15 Jahren mit der asiatischen Lebenspflege und unternahm einige Reisen nach China, Nepal und Tibet. Besonders hat es ihm Guanyin, die Göttin der Barmherzigkeit, angetan, so sehr, dass er eine Übersetzung des chinesischen Tempelorakels veröffentlicht hat. Es gibt diese Orakel als Set, einen Becher mit nummerierten Stäben und das Orakelbuch mit den Deutungen.
Die Durchführung des Orakels ist recht einfach, viel einfacher als mit dem Yijing zum Beispiel. Nachdem man einen ruhigen Platz aufgesucht hat, das Orakelbuch und die Stäbchen auf einen erhöhten Platz, zum Beispiel einen Altar, gestellt und ein Räucherstäbchen der Guanyin geopfert hat, konzentriert man sich auf sein Anliegen und schüttelt den Becher solange vorsichtig, bis eines der nummerierten Stäbchen herausfällt. Nun schaut man im Deutungsbuch unter der Nummer nach und schon ist das Problem gelöst.
Nein, ganz so einfach ist es nicht. Das geht schon damit los, dass das Schütteln geübt werden muss, damit nicht mehrere Stäbchen gleichzeitig herausfallen. Aber das gelingt recht schnell. Nicht so schnell funktioniert die Problemlösung. Die Deutungen sind zwar weniger kompliziert als beim Yijing, verlangen aber dennoch nach einer aufmerksamen Beschäftigung. Zu Beginn steht ein recht kurzer Text ,der sich einem nicht unbedingt auf Anhieb erschließt. Dann folgen unter der Überschrift »Auslegung« klar formulierte Aussagen zu den – nicht nur in China wesentlichen – Lebensbereichen Familie, Geschäft, Heirat, Kindersegen, Streitigkeiten, Wohnort und Gesundheit.
Die geneigten OraklerInnen sollten sich bei der Auslegung nicht von den typisch chinesisch klingenden Plattitüden abschrecken lassen. Zwei Beispiele: »Beabsichtigen Sie, die Ehe einzugehen, so sollten Sie sich diesen Schritt reiflich überlegen. Überprüfen Sie die Wahl Ihres Partners gründlich« und »Ein Ortswechsel könnte gegebenenfalls ratsam sein und Sie sollten diese Möglichkeit durchaus in Betracht ziehen«. Ich persönlich finde solche Antworten herrlich.
Nun ist es recht leicht, solche Zitate aus dem Zusammenhang zu reißen. Aber je platter die Antwort klingt, desto interessanter ist es zwischen den Zeilen zu lesen, gerade in Verbindung mit einer Fragestellung. Beim ersten Durchblättern des Buches fragte ich mich, was das alles soll und was einem diese Plattheiten sagen könnten. Jedoch gleich beim ersten Orakeln fiel ein Stäbchen heraus, dessen Deutung sehr klar meine Fragestellung beleuchtete!
Wer gerne orakelt, sollte durchaus in Betracht ziehen, dass lange Winterabende eine gute Gelegenheit für das Tempelorakel sein könnten. Weniger aufwendig und lustiger als das Yijing ist es allemal.