TQJ 04/2015

Rezensent:
Georg Patzer

Jean François Billeter:
Das Wirken in den Dingen. Vier Vorlesungen über das Zhuangzi
übersetzt von Thomas Fritz
Matthes & Seitz 2015, 156 Seiten, 15 EUR (D), 15,50 EUR (A)
ISBN 978-3-88221-386-7

Mit keinem Wort erwähnt er Taijiquan oder Qigong, dennoch scheint er ganz genau über unsere Übungspraxis zu sprechen: Wenn wir lernen, »sehen wir [sie] zunächst als ein kaum zu bewältigendes Ganzes vor uns (…) Später sehen wir nur ihre schwierigen Teile, schließlich treffen wir sie mit dem Geist (…): Sie ist kein Äußeres mehr für uns, sie ist uns kein Objekt mehr.« Genau bespricht er »die Etappen des Lernprozesses, die Nichtvermittelbarkeit der Geste und die spontane Handlung als Ergebnis methodischer Übung«.
Aber Jean François Billeter lehrt keine Form, er schreibt über die Grundlagen. Taiji-Lehrer Jan Silberstorff hat das über das Daodejing gemacht, Billeter greift auf einen anderen Klassiker zurück: das Zhuangzi.

In vier grandiosen Vorlesungen umkreist er einige Grundbegriffe dieses Werks, indem er es von allem mystifizierenden Beiwerk seiner vielen Interpreten befreit, die davon ausgehen, dass Zhuangzi ein Daoist war. Billeter betrachtet es als Werk eines normalen Philosophen, der »selbständig denkt und seine Erfahrung von sich, den Menschen und der Welt zum Gegenstand seines Denkens macht (…); der sich der Fallen der Sprache bewusst ist und von ihr einen kritischen Gebrauch macht«, wie Wittgenstein.

Die berühmte Geschichte vom Koch, der ein Rind zerteilt, zeigt ihm die verschiedenen Stufen des Lernens, bis Subjekt und Objekt zusammenfallen, das Bewusstsein seine Kontrolle aufgibt und der Geist »von selbst der Gliederung des Rinds« folgt. Die Geschichte vom Wagenradbauer lehrt ihn, dass es eine besondere Art Aufmerksamkeit braucht und dass es etwas gibt, das man nicht lehren kann: die richtige Geste, die richtige Bewegung. Die muss nämlich jeder immer und immer wieder üben, bis sie von selbst richtig kommt. Sprache, die Lehre, ist nur dafür da, »damit der Schüler sofort seine eigenen Lehren daraus ziehe«.

Auch hier geht es langsam voran: »Durch schrittweise Annäherung findet die Hand die richtige Geste.« Und am Ende ist die Geste eine Synthese aus Geist und Handlung: »Aus physikalischer und mathematischer Sicht ist sie höchst komplex, aber für den, der sie beherrscht, scheint sie ganz einfach.« So ist es beim Wagenradbauen und auch, wir wissen es, in der Taijiquan-Form.
Jean François Billeters schmales Buch ist höchst anregend, seine Versuche über das Zhuangzi sprühen nur so vor Einsichten, sei es über den Körper als Meister, sei es über die Wichtigkeit, das »unendlich Nahe«, das wir gern übersehen, genau zu studieren, oder über das Problem, unsere eigenen Vorurteile zu überwinden.