TQJ 01/2012

Rezensentin:
Dietlind Zimmermann

Heinz Hilbrecht:
Meditation und Gehirn. Alte Weisheit und moderne Wissenschaft

Schattauer 2010, 220 Seiten, 19,95 EUR
ISBN 978-3-7945-2795-3

Dieses Buch ist laut Klappentext »ein Handbuch für Meditierende, das östliche Weisheit auf dem Boden der Wissenschaft ins Leben holt«. Den Anspruch kann ich im Buch wiederfinden.
Meditation führt zu Erfahrungen, die der Alltagswahrnehmung zum Teil sehr widersprechen. Sie galten deshalb früher als unerklärlich. Aus diesem Grunde werden solche Techniken als »okkult« abgetan, bedauert Dr. Heinz Hilbrecht – selbst Meditierender, Naturwissenschaftler und Journalist. Ihm geht es aber nicht nur darum, das Renommee von Meditation in der gesellschaftlichen Wahrnehmung zu heben, er sorgt sich auch um diejenigen, die es mit Meditation versuchen. Gerade weil sich im westlichen Weltbild bisher keine Erklärung bot, können die bei der Meditation auftretenden veränderten Bewusstseinszustände als beängstigend empfunden werden und zu persönlichen Krisen führen.
Hier scheint mir Hilbrechts zentrale Motivation zu liegen, die Erklärung für Erfahrungen durch Meditation ganz an die verschiedenen – vor allem unbewussten – Hirnfunktionen anzubinden. Was er dabei zutage fördert, ist hochinteressant und lohnt die Lektüre unbedingt.
Der Autor fasst die Untersuchungsergebnisse von frühen Studien bis zu den aktuellsten (2010) immer im Hinblick auf seine jeweilige Themenauswahl zusammen, wie zum Beispiel sprachliches Denken und intuitives Denken, freier Wille, Theory of Mind, Empathie – um nur einige Stichworte zu nennen. So macht er aus ihnen quasi Beweismaterial für seine Darstellung dessen, was Meditation in den von ihm beschriebenen zehn Stufen leistet.
Er zeigt, wie die Ausdehnung unserer bewussten Wahrnehmung zunehmend zu einer Bewusstmachung bisher unbewusster Denkprozesse führt und wie sich das in entsprechenden Aktivitäten bestimmter Hirnareale nachweisen lässt. Hieraus leitet er schlüssig ab, warum Meditation ein effektives Mittel zu einem produktiven Umgang mit den Herausforderungen des Alltags ist: Wer seine eigenen unbewussten Impulse kennt und diese kontrollieren kann, dies schließlich auch empathisch auf andere ausdehnen kann, erweitert seine Selbstmächtigkeit wie auch seine soziale Kompetenz.
Das letzte Drittel des Buches widmet sich den Gefahren für Meditierende. In diesem Zusammenhang beleuchtet er das Verhältnis Lehrer-Schüler, die Auswirkungen von Drogenkonsum und den Umgang mit dem an die Oberfläche tretenden Unbewussten. Schließlich folgen noch gute vierzig Seiten praktischer Tipps und Hinweise, die augenscheinlich aus der eigenen 30-jährigen Meditationserfahrung des Autors erwachsen sind. Außerdem bietet das Buch ein Sachwortregister und ein ausführliches Literaturverzeichnis.
Fasziniert hat mich einerseits, wie Heinz Hilbrecht aus den Ergebnissen der Forschung ein klares Plädoyer für die menschliche Willensfreiheit ableitet. Irritiert hat mich andererseits, das Mensch und Gehirn bei ihm nahezu mit einem Gleichheitszeichen verbunden sind: »Das Gehirn, also jeder einzelne Mensch, kann im Prinzip entscheiden, was er lernen will und wie er deshalb funktionieren will.« 
Viel Diskussionsstoff ist hier zusammengetragen worden, in gut leserlicher Form – lesenswert!