Sebastian Stammsen:
»Auf Messers Schneide«, Kriminalroman
BoD 2016, 260 Seiten TB, € 9,99
ISBN 9783739226606
Fachliteratur über Qigong und Taijiquan gibt es einige. Relativ selten ist immer noch, dass unsere Übungswege im Mit- telpunkt von ktionaler Literatur stehen. Deshalb war ich neugierig, als ich einen Krimi fand, in dem es um Taijiquan und um Schwertkampfkunst geht.
Sebastian Stammsen, Psychologe und seit 2012 Lernender des Chen-Stils, veröffentlicht bei Books on Demand Regionalkrimis – ein inzwischen sehr beliebtes Genre der Unterhaltungsliteratur. Bei ihm sind Ermittler der Krefelder Kriminalpolizei am Werk. Sein fünftes Buch spielt nun zusätzlich im Umfeld einer Taijiquan-Schule.
Der Autor hat gut recherchiert, das merkt man sowohl bei seinen Beschreibungen der Polizeiarbeit als auch bei allem, was er über Taijiquan, insbesondere den Chen- Stil schreibt. Da dies aber kein Fachbuch, sondern Belletristik ist, stellt sich die Frage: Wie kunstfertig versteht es der Autor, uns alle wichtigen Informationen zukommen zu lassen? Gelingt es ihm – ohne dass man das Gefühl hat: Achtung, hier werden mal ein paar Infos eingeschoben –, sie in die Handlung, in die Figurenperspektive einzuweben? Und auch wenn der Krimi eher Unterhaltungsliteratur ist, so gibt es doch Autoren, die es mit literarischem Können verstehen, eine psychologische Tiefe ihrer Figuren zu erschaffen und der Leserschaft viel Spielraum zu lassen, sich eine eigene Vorstellung von den Menschen und Geschehnissen zu bilden. All dies vermisse ich leider in diesem Buch. Die Figuren sind geradezu holzschnittartig gezeichnet, die sprachlichen Zuweisungen sind oft so klischeehaft, wie man es eher bei einem Comic-Strip als in einem Roman erwarten würde. Vielleicht verführt das Genre Krimi ein wenig dazu: der Kampf Gut gegen Böse. Aber spannend wird es doch eigentlich – wie im richtigen Leben – wenn man nicht schon auf den ersten Blick, also nach der ersten Beschreibung der Figur, weiß, wen oder was man vor sich hat. Oder besser gesagt, welche Rolle der Autor einen Menschen spielen lässt, und ihn nur soweit mit Attributen ausstattet, dass er die ihm zugedachte Rolle, wie in einem Kasperletheater, gut abgibt.
Ich bin eine Leserin, die den artfiziellen Umgang mit Sprache, der Räume für Fantasie und Zwischentöne öffnet, zu schätzen weiß. Krimis können, kunstfertig geschrieben, zurecht ihren Platz im Kanon der Literatur einfordern. Doch ist mir bewusst, dass sie zumeist »Gebrauchs- kunst« sind – Unterhaltung, wie der Vorabendkrimi im Fernsehen. Wer also eher kein Literatur-Freund ist, aber gern einen Krimi zur Entspannung liest, weil die Spannung, wie der Fall sich auflöst, als Reiz fürs Lesen reicht, der wird bei Sebastian Stammsen nicht enttäuscht. Und wer erzählt bekommen möchte, wie Taijiquan-Praxis einen »echten Meister« hervorbringt, der weiß, dass es in erster Linie darum geht, sich selbst zu meistern, und was passieren kann, wenn technische Könnerschaft mit mangelnder ethischer Entwicklung einhergehen, der findet hier ebenfalls eine spannende Taiji-Geschichte erzählt.