TQJ 1/2016

Rezensent:
Helmut Oberlack

Heiko Mittelstaedt:
T‘ai Chi Ch‘uan –Yang-Stil Kurzform nach Meister Cheng Man-Ch‘ing
BoD 2015, TB, 187 Seiten, 12,99 EUR
ISBN 9783734787768

Der modernen Technik sei Dank. Die Möglichkeit, mit Print-on-Demand Bücher auch in einer kleinen Auflage selbst herauszugeben, ohne einen Verlag finden zu müssen, bringt doch immer wieder kleine Perlen auf den Buchmarkt. Und dieses Buch ist für mich eine solche.

Nicht, weil es einen besonderen Inhalt hätte, superschöne Fotos, ein tolles Layout oder gar das erste Buch wäre, das fehlerfrei das Lektorat verlässt. Nein, es ist die Atmosphäre, die dieses Buch verbreitet. Man spürt das Amateurhafte im wahrsten Sinn des Wortes. Hier hat ein Taiji-Liebhaber ein Buch über seine Kunst verfasst und wünscht sich, dass es anderen hilft, diese Kunst auch zu lernen.

Der Inhalt ist recht klassisch. Der erste Teil enthält Allgemeines zum Taijiquan mit eigenen Kapiteln zu den drei Aspekten Gesundheit, Meditation und Kampfkunst, und Kapiteln zu Zheng Manqing, Qigong, Yijing und Daoismus. Der zweite Teil beinhaltet »Praxisgrundlagen«: die zehn Grundregeln von Yang Chengfu, die Atmung, die Grundstellung und die Stände. Im dritten Teil stellt Heiko Mittelstaedt zur Vorbereitung der Taiji-Form die Acht Brokate und das Spiel der Fünf Tiere vor, wobei er ausdrücklich betont, dass sie eigenständige Qigong-Übungsreihen seien, die man aber gut vor dem Taijiquan üben kann. Und daran schließt sich der letzte Teil an, in dem die Kurzform von Zheng Manqing beschrieben wird.

Dieses Buch ist gedacht für Menschen, die die Form bereits praktizieren und sich Unterstützung wünschen. Die Bewegungsbeschreibungen sind gut und detailliert – auch recht humorvoll (»besser ist das«) und lassen immer wieder die Freude des Autors an der Sache durchscheinen. Allerdings sind sie nicht immer fehlerfrei, was bei der Komplexität von Taiji-Bewegungen kein Wunder ist. Sie erfüllen ihren Zweck, für Übende eine Hilfe zu sein. Das gilt insbesondere für die ers-ten 17 Figuren, bis zum ersten »Hände Kreuzen«, die alle auch mit Zeichnungen dargestellt werden und deren Bedeutung in der Selbstverteidigung erläutert wird. Erfreulich finde ich, dass Heiko Mittelstaedt es für sinnvoll und notwendig hält, diese Bedeutung der Figuren zu kennen, damit man sie überhaupt richtig ausführen kann.

Etwas zweifelhaft hingegen finde ich seine Auffassung, dass der erste Teil der Kurzform, »die Erde«, eine abgeschlossene Form innerhalb der Kurzform darstellt. Meiner Meinung nach kommen im weiteren Verlauf noch manche Figuren, die nicht vernachlässigt werden sollten. Doch der Grund, warum es für die anderen Figuren keine Zeichnungen gibt, macht für mich auch den Charme des Buches aus. Heiko Mittelstaedts Lehrer, Friedrich Wipfel, mit dem zusammen er die Illustrationen gemacht hat – die aussehen, als ob sie für ein Kinderbuch wären (zu nett!) – starb, bevor alle Illustrationen fertig waren. Aber das war kein Grund für den Autor, alles ganz neu zu illustrieren, sondern der »Mut zur Lücke« hat gewonnen. Und immerhin sind die Zeichnungen eine Verbesserung zur ers-ten Auflage, die gänzlich ohne Illustratio-nen auskam …
Fazit: Kein Buch, das neue Erkenntnisse vermittelt, aber dafür die Freude am Taijiquan. Auf den ersten Blick wirkt es amateurhaft im üblichen Sinne und auf den zweiten Blick amateurhaft im wahren Sinne.