TQJ 01/2006

Rezensent:
Helmut Oberlack

Engel, Siegbert
Richtig Tai Chi
24er-Form Taijiquan
LBLV 2004, 128 Seiten geb., 12,95 EUR
ISBN 3405166594

Richtig Taijiquan machen, wer wünscht sich das nicht. Der Titel des Buches von Siegbert Engel scheint es zu versprechen, ebenso wie man dank der Reihe des BLV Verlages richtig Qigong, Yoga, Aikido, Tennis, Segeln, Sporternährung und vieles mehr lernen kann. Viele Verlage haben ja solche Reihen, die sich im Wesentlichen an AnfängerInnen wenden und für sich in Anspruch nehmen, man könne aus einem Buch eine Kunst erlernen. In einer solchen Reihe zu veröffentlichen ist ein zweischneidiges Schwert, wie ich aus eigener Erfahrung weiß. In der Regel gibt es ein Raster, in das man als Autor reinschreibt, und der Platz für eigene Wünsche und Kreativität ist eingeschränkt. Dafür verkaufen sich solche Reihentitel relativ gut, man kann vielen Menschen eine schöne Kunst näher bringen und wird dafür noch recht gut bezahlt.
Insgesamt betrachtet ist dies Siegbert Engel, einem erfahrenem Taiji-Spieler, gut gelungen, ein Buch für eine solche Reihe zu verfassen, wobei er nicht, wie man von ihm als Ma Jiangbao-Schüler erwartet hätte, den Wu-Stil, sondern die 24er-Form vorstellt.
Einleitung, Geschichte und die Philosophie des Taijiquan werden zu Beginn gut und knapp dargestellt, wobei ich überascht war über die recht eingehende Darstellung der Meridiane, die später bei den Vorübungen ausführlich gedehnt werden. Dort allerdings vermisse ich einige Warnhinweise für Menschen mit Wirbelsäulen-Problemen, Bluthochdruck oder anderen gesundheitlichen Einschränkungen. Erfreut hat mich die Aufnahme der fünf Aspekte des Taijiquan, die Ma Yueliang formuliert hat: Ruhe, Leichtigkeit, Langsamkeit, Gewissenhaftigkeit und Ausdauer.
Das anschließende erste Praxis-Kapitel mit den Vorübungen ist gut aufgebaut. Das Sitzen und Zur-Ruhe-Kommen führt zu Lockerungsübungen von Rumpf und Armen. Nach dem bereits erwähnten Dehnen wird die spezielle Körperhaltung vorgestellt. Anschließend kommen die Fuß- und Beinstellungen sowie Schritte und dann die Handhaltungen und Armbewegungen. Hier wird konsequent zu den kommenden Bewegungen der Form hingeführt, farbig hinterlegte Texte weisen auf wichtige Punkte hin.
Bei den Vorübungen tritt wieder eine typische „Buchreihen-Problematik“ auf. Auf den Fotos muss es ein hübsches Model sein, das leider nie so richtig gut steht. Allerdings habe ich schon deutlich schlimmere Beispiele gesehen. Hier scheint der Autor beim Fotoshooting recht gute Arbeit geleistet zu haben, auch wenn das Resultat dieses nicht widerspiegelt.
Bei der anschließenden Form ist diese Problematik gut entschäft worden. Das Model illustriert zwar immer wieder auf großen Bilder die Figuren, doch der Ablauf wird von einem gezeichneten Männchen dargestellt, ganz in der Tradition von chinesischen Publikationen, mit Pfeilen an Händen und Füßen. Manchmal ist die Darstellung verwirrend, weil die richtungen wechseln, ohne das darauf hingewiesen wird. Die Bewegungsbeschreibungen sind gut und klar, mit Hinweisen und beachtenswerten Punkten ergänzt. Gut gefallen hat mir, dass auch immer die chinesischen Namen der Figuren genannt werden.
Eine schöne Idee, aber gewöhnungsbedürftig, ist der Kompass, der anzeigt, in welche Himmelrichtung man die Figur ausführt. Allerdings ist er immer entgegengesetzt zu dem Männchen, denn das beginnt spiegelverkehrt zu ihm. Das sich an die Erklärung der Form anschließende Fußdiagramm könnte wieder Ordnung im Gehirn schaffen, aber ich befürchte, dass dieses das Chaos bei AnfängerInnen verstärkt. Befolgen die LeserInnen jedoch die erwähnten fünf Aspekte, so haben sie gut gemachte Hilfsmittel zur Hand. Hoffen wir das Beste.
Das Buch endet mit allgemeinen Übungshinweisen und wichtigen Tipps zum Finden eines Lehrers oder einer Lehrerin und einem klassischen Text, dem Lied der Schlagenden Hände. Dieser Text regt sicherlich zum Nachdenken an, ebenso wie die immer wieder eingestreuten Zitate bekannter Taiji-Größen und manche Bemerkung des Autors.
Fazit: »Richtig Tai Chi« ist ein Einsteiger-Buch der besseren Sorte – auch wenn Taijiquan nicht durch ein Buch richtig gelernt werden kann.