TQJ 4/2021

Rezensent:
Georg Patzer

Axel Dreyer:
Ein gutes Leben leben. Tai Chi von A bis Z
Lotus-Press 2021, 288 S. geb., € 39
ISBN 978-3-945430-99-6

Tai Chi von A bis Z – das hört sich recht öde an. Brauchbar, aber langweilig. Ein Nachschlagewerk mit Definitionen von An bis Zhan Zhuang. Glücklicherweise macht Axel Dreyer aus Freiburg das nicht, seine »Lexikonartikel« sind eher Essays, die um ein Thema kreisen, oder um mehrere, denn er ließ sich beim Schreiben nicht begrenzen, sondern schweift auch immer wieder ein bisschen umher. Was uns die Chance gibt, ihm zu folgen, eine andere Meinung zu haben oder gedanklich woanders als er zu landen – wie es bei guten Essays sein soll.

Mit dem doppelten A »Am Anfang« beginnt Dreyer seine Ausführungen: Da er als Jugendlicher in der Nähe von Todtmoos-Rütte lebte, kam er in Kontakt mit Dürckheim, begann mit Zazen und Aikido und sah, wie Leute »hinter einer Tannenhecke einen zeitlupenhaften, anmutigen ›Tanz‹ aufführten«, der Lehrer hieß Gia Fu Feng. Von ihm ging es zu den Kobayashis, er lernte Capoeira, die Alexander-Technik und schließlich wurde Patrick Kelly sein Hauptlehrer.

Axel Dreyers nächstes Kapitel hat nicht mit Taijiquan zu tun, sondern mit der Alexander-Technik, die er in seinen Un- terricht integriert hat. So freigeistig geht es durch das ganze Alphabet, es ist eine Freude, an seinen Erkenntnissen, Erinnerungen, Erzählungen und Einwänden teilzuhaben. Bewusstsein, Chinesen, Dao, Entspannung, Frankreich, Gesundheit, Haltung, Italien, Jin, Kampf – locker erzählt der Autor, was er denkt und erlebt hat, spart auch Kritik nicht aus (»Chinesen, die zu uns in den Westen kommen, um uns Taiji näherzubringen, kommen nicht nur als Kulturbotschafter, sondern auch, weil sie einen lohnenden Absatzmarkt wittern.«), geht beim »Dao«-Kapitel auf die Bibel ein oder zählt die Schülertypen auf, die ihm begegnet sind: der Begeisterte, der Übereifrige, der Bedürftige, der Bequeme, der Mündige und der Energiesauger.

Ständig wechselt Axel Dreyer zwischen persönlichen Reflektionen und sachlichen Informationen, erzählt vom Qigong-Fieber und dem Gerangel bei Pushhands-Veranstaltungen, »bei dem alle Taiji-Prinzipien ignoriert werden«, schreibt über Meister und die Abgabe der Selbstverantwortung, die manche Schüler praktizieren. Häufig erkennt man sich selbst in einigen seiner Kapitel, in denen er Theorie und Praxis streift und oft in die Tiefe geht, tiefschürfend, biografisch, humorvoll, selbstkritisch und selbstbewusst. Eines meiner Lieblingskapitel ist deswegen das O. Lest selbst.