TQJ 02/2006

Rezensent:
Helmut Oberlack

Wee Kee-Jin
Taijiquan Wuwei – ein natürlicher Prozess
Selbstverlag 2005,  140 Seiten, 30 Euro
ISBN 3-930817-12-8

 

Wee Kee-Jin, Yang-Stilist in der Zheng-Manqing-Tradition, ist seit einigen Jahren auch im deutschsprachigem Raum als Taiji-Lehrer bekannt geworden. Sein 2003 auf Englisch erschienenes Buch wurde jetzt von Hella Ebel (Osnabrück) als deutschsprachige Ausgabe im Selbstverlag herausgegeben. Es ist ein Kleinod der deutschsprachigen Taiji-Literatur geworden.
Das Buch protegiert keine bestimmte Form und keinen Stil. Es richtet sich an alle ernsthaft Taiji-Übenden, die über das Erlernen einer Form hinauskommen möchten. Wee Kee-Jin stellt im ersten Teil seines Buches grundlegende, stilunabhängige Taiji-Prinzipien dar. Sinken, Entspannung, Stille und innere Ruhe sowie Fülle und Leere stehen am Anfang seiner Ausführungen zum Üben einer Form. Im Kapitel „Die Mensch-Ebene trainieren“ betrachtet er detailliert die körperliche Struktur. Zahlreiche Bildreihen mit „richtig“ und „falsch“ unterstützen den Text.
Im folgenden Kapitel „Die Erd-Ebene trainieren“ beschäftigt er sich mit dem Fluss des Qi, bei der Himmelsebene mit den wichtigen Energien Tingjin (hörende) und Dongjin (verstehende) sowie – recht kurz – mit der spirituellen Klarheit (Shenming).
Einen großen Raum nimmt die Praxis des Tuishou ein, die die Himmels-Ebene trainiert. Wee Kee-Jin geht auf festgelegtes Tuishou ohne und mit Schritten, halbfreies und freies Tuishou ein sowie auf die empfangende Energie Jiejin. Auch in diesem Kapitel gibt es wieder zahlreiche Fotos.
Das Fajin (Abgeben der Energie) durchzieht wie ein roter Faden den gesamten ersten Teil des Buches. Fajin kann nur dann erfolgen, wenn der Adept alles richtig gemacht hat: seine Struktur stimmt, seine Bewegungen korrekt und seine Energien ausgebildet sind. So nimmt es kein Wunder, dass nun ein eigenes Kapitel zu den Mechanismen des Fajin folgt, in dem er drei Übungen dazu vorstellt.
Der erste Teil des Buches schließt mit Standübungen, deren Wichtigkeit nach Ansicht des Autors zu wenig bekannt ist. Das Stehen in den Positionen „Vorbereiten“, „Peitsche“ und „Hände heben“ ist erst dann zu trainieren, wenn man entspannt und locker sein kann. Sonst würde man die Position nur halten und die Ziele der Übungen könnten nicht entwickelt werden: Verwurzelung und die „Bewusstheit für die körperlichen und mentalen Verbindungen innerhalb der Struktur, das zentrale Gleichgewicht sowie der Prozess des Loslassens von Anspannung“.
Im zweiten Teil des Buches übersetzt und interpretiert Wee Kee-Jin sieben klassische Schriften des Taijiquan: die Schriften von Zhang Sanfeng und Wang Tsue yueh/Zongyue, „Das Lied von den Dreizehn Stellungen“, „Das Verständnis der Dreizehn Stellungen“, „Das Lied des Tuishou“, „Wichtige Punkte der Familie Yang“ von Yang Chengfu und „Das Lied von Substanz und Funktion“. Eine solche Sammlung von Klassikern, kommentiert von einem so kompetenten Taiji-Lehrer, ist in jedem Fall ein Schatzkästchen, in das sich zu schauen lohnt. Unklar bleibt mir bei diesem Teil die übliche Problematik von Übersetzungen, inwieweit die Übertragung in eine andere Sprache die eigentliche Aussage verändert. Ein Blick in die englische Originalausgabe kann diesbezüglich erhellend sein.
In diesem Buch habe ich gerade im ersten Teil viele hilfreiche Kommentare und Erläuterungen gefunden, worauf ich in meiner Praxis zu achten habe, was warum wichtig ist. Klar und verständlich, ohne viel „Rumgerede“, bringt Wee Kee-Jin die Sachen auf den Punkt. Dennoch bleibt alles Theorie, mir bleibt nur eins: üben, üben, üben – und zwar unter kompetenter Anleitung.
Etwas schade sind die vielen kleinen Fehler und es hätten wirklich nicht immer die zahlreichen chinesischen Termini wie Tuishou, Fajin, Dongjin, Niwan etc. direkt in Klammern übersetzt werden müssen. Es nervt schon sehr, wenn auf einer Seite x-mal zu lesen ist: »… Tuishou (Fühlend-schiebende Hände) …« – zumal am Ende des Buches ein Glossar steht und dieses Buch bestimmt keine AnfängerInnen lesen werden.
Dennoch empfehle ich dieses Buch allen ernsthaft Übenden, es macht sonnenklar, wohin die Reise gehen kann und dass es noch viel zu üben gibt.