TQJ 4/2017

Rezensentin:
Almut Schmitz

Seng Can/Yürgen Oster:
Xin Xin Ming. Die Inschrift vom Vertrauen in den Geist
BoD 2014, TB 103 Seiten, € 12,90,
ISBN 978-3-73229-667-5

Yürgen Oster:
Seidenfaden Qi Gong. Entwicklung der Lebenskraft.
BoD 2014, TB 77 Seiten, € 12,90
ISBN 978-3-73575-670-1

Yürgen Oster:
Sitzen in Vergessenheit. Zuo Wang – daoistische Meditation nach Sima Chengzhen

BoD 2015 (2. korrigierte Auflage), TB 115 Seiten, € 12,90
ISBN 978-3-73862-377-2

Yürgen Oster ist ein Urgestein der deutschsprachigen Taiji- und Qigong-Szene und einer ihrer produktivsten Autoren. Neben seinen umfangreicheren Werken hat er in der Reihe Edition 3 Säulen Arbeitsbücher verfasst, die unabhängig von Stil und Schule wesentliche Grundlagen unserer Künste behandeln.

Da ist zunächst das »Xin Xin Ming – Die Inschrift vom Vertrauen in den Geist« von Seng Can, die als die älteste Schrift des Chan-Buddhismus gilt und den Bewusstseinszustand des Chan beschreibt. Yürgen Oster hat die 146 Zeilen zu je vier Zeichen aus dem Chinesischen übersetzt und ausführlich kommentiert. Die um 600 verfasste Schrift kann, wie Yürgen Oster erläutert, als Erweiterung daoistischer Kultur verstanden werden, sie entstand in der Anfangszeit der stark vom Daoismus beeinflussten chinesischen Ausprägung des Buddhismus, aus der später der japanische Zen-Buddhismus hervorging. Seng Can war der dritte Patriarch des Chan-Buddhismus nach Bodhidharma (Puti Damo), sein Xin Xin Ming erinnert an vielen Stellen an Laozis Daodejing. Es wirkt allerdings etwas praxisbezogener und seine Verse sind hilfreiche Inspirationen und Hinweise für jedwede Form von meditativer Praxis. Im Wesentlichen geht es darum, zu einem gelassenen, friedvollen Geist zurückzufinden, jenseits von Unterscheidungen und Bewertungen. Die Kommentare kommen nicht etwa wissenschaftlich daher, sondern Yürgen Oster führt in der Rolle eines daoistischen Lehrers dazu weitere Bilder, Beispiele, Vergleiche an, die uns ein tiefes Verständnis erleichtern.

Das zweite Buch von Yürgen Oster in dieser Reihe ist dem Seidenfaden Qi Gong gewidmet, das auch als Chansigong, Seidenübungen oder Seidenweberübungen bekannt ist. Diese Übungen bilden für ihn eine wesentliche Grundlage der inneren Selbstkultivierung, sei es im Rahmen einer inneren Kampfkunst oder beim Qigong. Sie dienen der Entwicklung des Qi im Inneren sowie des Weiqi, das uns nach außen hin schützt.
In diesem Buch werden die überwiegend recht einfachen Übungen in Fotostrecken gezeigt und erläutert, zusätzlich gibt es Links zu kurzen Videos, die ihren Ablauf noch deutlicher machen. Etwas ungünstig bei den Fotos und Videos erscheint mir, dass der Autor, der hier auch »Darsteller« ist, ein daoistisches Gewand trägt, das bis unter die Knie reicht, so dass die Bewegungen der Hüfte, die er als ausgesprochen wesentlich erachtet, kaum zu erkennen sind.
Die Übungen beginnen mit einfachen Kreisen in drei Ebenen, daran schließen sich die grundlegenden Kreise des Chansigong an, ergänzt durch Drehungen und Gewichtsverlagerungen, zuerst einhändig, dann mit beiden Händen. Auf diese Bewegungen bauen dann die spiralförmigen auf, die wieder einhändig beginnen und dann auch mit beiden Händen ausgeführt werden. Letztere erinnern an die weitverbreitete »Teller-« oder »Teetassenübung«. Alle Übungen sind gut nachvollziehbar und können bei ausreichender Vorerfahrung aus dem Buch und mithilfe der Videos erlernt werden – auch wenn eine persönliche Anleitung sicher vorzuziehen ist.
Auf den letzten Seiten des kleinen Buches gibt Yürgen Oster dann noch eine Einführung in Zhanzhuang und Zuo Wang – stehende und sitzende Meditation. Damit handelt er auf nur 77 Seiten pragmatisch und schnörkellos ein umfassendes Grundprogramm ab.

Der sitzenden Meditation ist dann ausführlich ein weiteres Buch von Yürgen Oster gewidmet, »Sitzen in Vergessenheit«. Es bietet eine kompakte Einführung darin, was Meditation ist, wie sie auf den verschiedenen Ebenen wirkt – mit einem Exkurs in wissenschaftliche Forschungen zum Thema – und in die daoistische Meditationspraxis. Darüber hinaus nden sich wieder chinesische Originaltexte: Aus der »Schrift über die Befreiung von den Hindernissen« (Tong Guan Wen) des Daoisten und Arztes Liu Yiming (1734 – 1821) stammen die 50 Hindernisse auf dem Weg der Entwicklung, zentraler Text ist das Zuo Wang Lun von Sima Chengzhen zum Sitzen in Vergessenheit, im Anhang ndet sich noch der daoistische Klassiker Qing Jing Jing, die »Schrift von Klarheit und Stille«. Die Texte geben wertvolle Ratschläge und weisen auch deutlich auf die menschlichen Schwächen hin, die die Meditationspraxis behindern.
Wie beim Xin Xin Ming hat Yürgen Oster auch hier äußerst wertvolle Übersetzungsarbeit geleistet. Allerdings hätte ich diesem herausragenden Werk eine etwas sorgfältigere Aufmachung gewünscht, bei der die Originaltexte klarer von Yürgen Osters Anmerkungen abgesetzt und in ihren historischen Kontext eingeordnet wären. Umfang und Tiefe der behandelten Themen gehen über ein schlichtes »Arbeitsbuch« weit hinaus, auch wenn alles angenehm praxisorientiert bleibt.