Klemens J. P. Speer: Taijiquan und Qigong. Jeder Schritt im Dao zeigt den Sinn«
Lotus Press 2015, 178 Seiten, 16,80 EUR
ISBN 978-3-945430-34-7
Dies ist der zweite Band der Schriftenreihe unter dem Obertitel »Taijiquan und Qigong« von Klemens Speer, Lehrer und Ausbilder für Taijiquan, Qigong-Lehrer und Lehrer der Zen-Linie »Leere Wolke«. Auch wenn der Band kaum dicker ist als der erste, so quillt er inhaltlich geradezu aus allen Nähten. Noch mehr als beim ersten Band hätte ich mir hier gewünscht, dass Klemens Speer die Fülle seiner Überlegungen strikter sortiert hätte. Manche Themen erlauben es, wie im ersten Band einzelne Texte aus vielen Jahren neu ediert einfach hintereinanderzustellen. Anderes – gerade das Kernthema des Buchs – hätte etwas mehr Ausführlichkeit gut vertragen. Damit auch LeserInnen, die keine Insider der integralen Philosophie und Psychologie sind, seinen Gedanken besser folgen können.
Die Hauptteile des Buchs lauten: »1. Einfach jetzt! – Qigong und Taijiquan als Übungswege der Meditation«, »2. Zuo-wang und Taiji – Sitzende Meditation zur Vertiefung«, »3. Taiji und Gefühle«, »4. Innere Entwicklung und daoistische Begriffe im Taiji«, »5. Entwicklungsstufen im Taijiquan und ihre Interpretation«, »6. Taiji und die Wirkung auf die persönliche Entwicklung«, »7. Taijiquan und innere Kampfkunst«, »8. Taiji im Management«, »9. Daoist-Sein und Christ-Sein im Westen«. Wobei Taiji immer als Oberbegriff für die Übungswege Taijiquan und Qigong verwendet wird.
Der Kern des Buchs scheint mir das Kapitel sechs zu sein, in dem der Autor uns seine Zusammenschau der Modelle Ken Wilbers mit möglichen Entwicklungsstufen und -zuständen des Taiji-Übens vorstellt. Dieses Kapitel ist eine Art »Hochdruckbetankung« mit der transpersonalen Psychologie Ken Wilbers und seinen Modellen zum menschlichen Bewusstsein, die in Tabellen zusammengefasst und kurz erläutert werden. Im Weiteren werden daraus von Klemens Speer entwickelte Zusammenschauen präsentiert: Wie sich zum Beispiel daoistische Modelle von Entwicklungsstufen in der Übungspraxis in Wilbers Modellen wiederfinden. Wobei Entwicklungsebenen, -linien, -zustände, -quadranten und -typen unterschieden werden.
Vieles, was angerissen wird, ist interessant – so die Frage, ob spirituelle Praxis »Schattenarbeit« ersetzt (was Ken Wilber verneint), inwieweit persönliche energetische Praxis in den transpersonalen Raum hinausgreift und vieles mehr. Dieser Themenbereich ist so komplex und der Versuch von Klemens Speer, unsere Übungspraxis über Wilbers Modelle so einzuordnen, dass die nicht messbaren Aspekte unseres Übens vielleicht doch über eine Systematisierung besser erfass- und deutbar werden, dass ein solches Unterfangen deutlich mehr Raum braucht. Auch wenn sich Modelle grafisch ineinanderfügen lassen und Begriffe sinnvolle Schnittstellen bilden, ist noch kein schlüssiges Gesamtbild da. Und schon gar nicht, wenn der Leser mit den verwendeten Begrifflichkeiten nicht wirklich vertraut ist.
Aber ich bin sicher, das Thema begleitet Klemens Speer noch lange. So nehmen wir diesen Text als eine Ideenskizze und vielleicht werden wir eines Tages ein ausführliches und wirklich grundlegendes Buch darüber zu lesen bekommen. Wie beim ersten Band gilt aber auch hier: Wer sich zum Nachdenken über unsere Übungswege anregen lassen will, wird einige Inspiration finden.