Xuelin Jiang / Dr. Cornelia Richter:
Selbstheilungsweg, Bd.1 – Beginn des Weges
Quadrate 2011, 144 Seiten, TB, 19,80 EUR
ISBN 3-924704-44-9
Dieses Buch ist vieles gleichzeitig: Hommage einer westlichen Schülerin an ihren chinesischen Qigong-Meister, der persönliche Erfahrungsbericht einer Medizinerin mit dem, was Qigong – jenseits der gewohnten Denkmuster – ermöglicht, eine Einführung in Basisübungen des Chan Mi Gong und ein beachtlich detailliertes Übungsbuch, das ernsthaft Interessierten sicher einige Anregungen zu geben vermag.
Während fast alle genannten Punkte in der einen oder anderen Weise schon viel Papier gefüllt haben, ist es insbesondere der letzte, der mir dies Buch als Gewinn erscheinen lässt. Auch der Blickwinkel der Ärztin, die täglich mit den Folgen mangelnder Selbstwahrnehmung konfrontiert ist, sei es beim Gespür für eigene Grenzen im Tun oder aber beim Bewusstsein dafür, welche Art von Bewegung Körper und Geist benötigen, um gesund zu bleiben, macht das Buch interessant. Ihre durch persönliches Erleben geschärfte Wahrnehmung für die Bedeutung von Yangsheng, Lebenspflege, und die unabweisbare Erfahrung des großen Potentials von Qigong sorgen dafür, dass hier möglichst klar formuliert wird, worauf es ankommt, damit das Üben von Qigong seine ganze Kraft entfalten, dem großen Wort »Selbstheilungsweg« gerecht werden kann.
Sowohl in der Beschreibung ihres eigenen Weges mit Xuelin Jiang, die das Ende des Buches bildet, als auch in den sehr ausführlichen Anleitungen ihres Lehrers im Mittelteil wird vor allem eines deutlich: Es verlangt die Bereitschaft, sich zu wandeln, Gewohnheiten zu verändern, und regelmäßiges, diszipliniertes Üben. Kein Wort hier also von »Wellness-Qigong« – geradezu wohltuend.
Die Einführung zu den Grundbegriffen, die Cornelia Richter übernommen hat, ist in einer Weise klar, westlichem Denken entgegenkommend, wie man es sich für gute Qigong-Bücher generell wünschen würde. Und sie kommt mit erstaunlich wenigen Seiten dafür aus. Lobenswert: ein Extrakapitel zur Bedeutung des Lehrers – auch ansonsten vermittelt das Buch nicht den falschen Eindruck, man könne Qigong allein aus seiner Lektüre erlernen.
Im Praxisteil wird für den »Beginn eines Selbstheilungsweges« ein Übungsprogramm zusammengestellt, das im Schwerpunkt aus den Chan-Mi-Basis-übungen besteht, die mit Zeichnungen aus dem Buch von Liu Han Wen illustriert werden. Aber auch andere Lebenspflegetipps sind dabei: der »kalte Guss« (leng chong) oder der »kühle Schluck« (leng yin).
Das Highlight des Buches bildet für mich das erste Praxiskapitel: Hier beschäftigt sich Xuelin Jiang sehr ausführlich mit »sämtlichen 24 Anforderungen an die Körperhaltung«, die sich auf die allgemeine Grundhaltung beziehen, nicht auf die spezielle Haltung des Chan Mi Gong. Dieser Text macht nicht nur deutlich, dass das Einüben in eine echte Qigong-Haltung keine Kleinigkeit ist – denn es gibt viele Punkte zu beachten. Diese werden alle aufgeführt und der Autor gibt sich viel Mühe, die korrekte Haltung auf möglichst vielfältige Weise zu beschreiben, inklusive der Wirkungen, die das jeweils auf das Qi-Gefühl oder die Wahrnehmung von Verbundenheit von Körperpartien oder Energiezentren hat. Das ist ein Fundus an Anregungen für jeden Übenden, auch und vielleicht gerade weil sich nicht alles sofort erschließt.
AnfängerInnen, so allerdings mein Eindruck, werden mit der Fülle der Details eher überfordert sein. Fortgeschrittene werden – oder sollten sogar – Fragen haben. Die Autorin wird ja nicht müde darauf hinzuweisen: Sollte etwas unklar sein, besprich es mit deinem Lehrer. Dem kann ich nur zustimmen. Ein gutes Qigong-Buch.