TQJ 02/2009

Rezensentin:
Dietlind Zimmermann

Alexandra Tschom, Jumin Chen, Wolfgang Seiringer:
Therapeutisches Qi Gong. Die Kunst der Arbeit mit dem Qi – Qi Gong als therapeutische Begleitung

Bacopa 2008, 253 Seiten, EUR 29,00
ISBN 978-3-901618-44-4

Das Buch ist so vielschichtig wie sein Titel, im Positiven wie leider auch im Negativen. Denn bis zum Schluss ist mir unklar geblieben, an wen es sich richtet, was es sein will: kulturphilosophische Betrachtung, Lehrbuch für Qigong-TherapeutInnen, Fachbuch für eine bestimmte Sparte der TCM – oder einfach eine Anregung für intensiv Praktizierende? Dem Vorwort entnehme ich, dass es der Autorin um die Fülle des tradierten Wissens und auch um den ernsthaften Umgang damit geht. Letztlich scheint dies Buch eine Einladung und Ermutigung für eine vorgebildete Fachleserschaft zu sein, Qigong als Übungstherapie – in Abgrenzung zu anderen behandelnden TCM-Verfahren – zu etablieren.

Alexandra Tschom, Magister der Philosophie, Lehrtrainerin der IQTÖ, lernt Taijiquan, Qigong und chinesische Medizin seit 1989, die Fülle dieser Erfahrungen ist beim Lesen spürbar. Die Co-Autoren sind ihr Lehrer Chen Jumin, dessen Beitrag sie charmanterweise in unredigiertem »Deutsch-Chinesisch« ließ, und der Arzt Dr. Wolfgang Seiringer.

Verwirrend ist ein recht unkritisches Gemisch westlich-wissenschaftlicher Sprache in dem offensichtlichen Wunsch, sprachlich ein ähnlich subtiles Tasten, Erahnen und Spüren anzuregen, wie wir es beim Qigong praktizieren. Klar definierte Begriffe wie Substanz, Essenz, Information, Kraft werden nebeneinander gestellt und zum Beispiel einmal im Sinne von Qi, ein anderes Mal im Sinne von Jing benutzt.

Wenn man sich in die Sprache von Alexandra Tschom hineingelesen hat, wird deutlich, dass sie bemüht ist, uns zu einem möglichst bildhaften und ganzheitlichen Verständnis davon zu führen, wie krankmachende Einflüsse sich dem Qi-System einprägen.

Ab Kapitel zehn werden noch einmal alle Organfunktionskreise aufgelistet und nach den zuvor genannten »Kriterien der Anwendung« wird eine wirklich interessante Fülle an Hinweisen aus der Praxis stichpunktartig aufgelistet. Auch einzelne bewegte Organ-übungen werden mit Bildern von Chen Jumin vorgestellt.

Die Darstellung der Meridianverläufe am Ende des Buches ist ästhetisch ansprechend und entspricht der offenen Idee von Spüren und Strömen – die Meridiane werden mit einem schwungvollen, breitfließenden Pinselstrich skizziert –, ist aber für die konkreten therapeutischen Hinweise, die den großen zweiten Teil des Buches ausmachen und sich häufig auf einzelne Punkte beziehen, nicht wirklich hilfreich. Wie schon im Teil über die fünf Elemente, wo auf jede bildhafte Darstellung verzichtet wird, müssen sich die LeserInnen ganz auf die verbalen Erklärungen verlassen.

Insgesamt hätte ich der Autorin, die uns an einem breiten Fachwissen teilhaben lässt, ein intensiveres Lektorat gewünscht. Denn auch in der Gestaltung häufen sich manche Unklarheiten. Insgesamt ist dies Buch ein mutiges und spannendes Unterfangen. LeserInnen mit guten Vorkenntnissen werden gewiss fruchtbare Vertiefungen finden und Gelegenheit, ihre eigenen Einschätzungen an denen der Autorin zu überprüfen – und umgekehrt.