Markus Ruppert:
Grundlagen des Qigong. Ein Wegbegleiter durch die ersten Jahre der Qigong-Praxis
MLV 2015, 165 Seiten geb., 29,95 EUR
ISBN 978-3-9456950-9-8
Markus Ruppert hat für sein ausgesprochen informatives Qigong-Buch einen sehr sinnvollen Ansatz gewählt: Es soll Menschen, die Qigong lernen, Unterstützung bieten, wesentliche Aspekte dieser Kunst zu verstehen und im eigenen Üben umzusetzen. An keiner Stelle wird der trügerische Anschein erweckt, dass das Buch eine erfahrene Lehrkraft ersetzen könnte. Dafür bietet es einen guten Überblick über grundlegende Themen mit vielen Möglichkeiten, bestimmte Aspekte gezielt zu üben. Markus Ruppert weist auch darauf hin, dass manches von anderen Qigong-Lehrenden vielleicht anders dargestellt wird, aber gerade die Auseinandersetzung über solche unterschiedlichen Sichtweisen die eigene Entwicklung bereichern kann.
Wie von einem Physiotherapeuten zu erwarten, legt der Autor großen Wert auf eine gute Körperstruktur. Auf eine allgemeine Einführung folgt ein ausführliches Kapitel über die Regulation des Körpers. Dazu gehören neben der Betonung der Mitte und hilfreichen Erläuterungen zu einem entspannt aufgerichteten Stand Anregungen aus dem von Dieter Mayer entwickelten Power-Response-Training und ausführliche Erläuterungen zu den »drei Engpässen« Hüftbereich, Schultern und Hals, an denen es leicht zu energetischen Stagnationen kommt. Hier werden beispielsweise die Meridiandehnungsübungen nach Shizuto Masunaga eingestreut und »Schildkrötenübungen« zum Lösen des Hals- und Nackenbereichs.
Im nächsten Abschnitt werden Standübungen aus dem Zhanzhuang vorgestellt. Gerade hier, aber auch an vielen anderen Stellen kommt die herausragende grafische Umsetzung von Hella Spiering zum Tragen, die die zahlreichen Fotos durch Pfeile, Ballons und andere grafische Elemente ergänzt und sowohl körperliche Aspekte als auch Vorstellungsbilder optisch leicht erfassbar macht. Besonders gefallen mir die Fotos mit darübergelegten anatomischen Zeichnungen.
Der zweite große Bereich ist die Regulation der Atmung, die wiederum recht genau in ihrem physiologischen Ablauf und in ihren vielfältigen Wirkungen beschrieben wird. Markus Ruppert stellt verschiedene Atemtechniken gut nachvollziehbar vor und gibt Beispiele von Atemübungen, zu denen neben dem »Kleinen Himmelskreislauf« und den »Heilenden Lauten« auch Übungen aus dem Yoga zählen, oberste Priorität hat für ihn jedoch immer die Natürlichkeit.
Das Kapitel zur Regulation des Geistes hat mich besonders angenehm überrascht, denn auch hier bleibt Markus Ruppert bei seinem entspannt-pragmatischen Blick, der durchaus in die Tiefe geht, dabei aber stets in der tatsächlichen Übungspraxis verankert ist. Es geht ihm um eine Minderung von Leiden, darum, die Identifikation mit dem Ego abzubauen und inneren Frieden zu finden, und diese Ziele erscheinen keineswegs unerreichbar, sondern werden aus den erhabenen Sphären, in die sie oftmals erhoben werden, herabgeholt in das alltägliche Üben. »Nehmen Sie Ihr Leben nicht so persönlich« ist einer der netten Ratschläge dazu.
Im letzten Kapitel zum Lernprozess im Qigong werden nicht nur erwünschte (aber nicht unbedingt angenehme) Effekte beim Üben erläutert, sondern auch unerwünschte, die sonst in der Literatur gerne ausgelassen werden. So erhalten Übende zum Beispiel eine Orientierung, wie sie mit unterschiedlichen Arten von Schmerzen, Schweißbildung, Darmaktivitäten und anderen Phänomenen umgehen sollten.
Hier können unmöglich alle Punkte aufgeführt werden, zu denen Markus Ruppert Hinweise und Anregungen gibt, zum Beispiel auch durch eingestreute Fragen, die die Aufmerksamkeit beim Üben fokussieren. Es soll aber auch nicht unerwähnt bleiben, dass seine Beschreibungen manchmal unklar bleiben und manches für Menschen, die etwa mit Dieter Mayers Trainingskonzepten auf Basis der fünf Wandlungsphasen nicht vertraut sind, nicht leicht nachvollziehbar ist. Hier hätte ein Lektorat durch eine außenstehende Person für eine bessere Verständlichkeit sorgen können. In einer gut überarbeiteten Neuauflage hätte das Buch jedoch durchaus das Potenzial, ein Klassiker zu werden.