Peter Meech:
Geheimnisse der Lebenskraft Chi. Meine erstaunlichen Erlebnisse mit einem Chi-Gong-Meister
Lotos 2010, 191 Seiten, 16,99 Euro (D), 17,50 Euro (A), 24,50 CHF (UVP)
ISBN 978-3-7787-8223-1
Der Autor dieses Buches erzählt seine Erlebnisse mit Dr. Chow, von dem er Qigong erlernt hat, das er jetzt seit 25 Jahren praktiziert. Der Kanadier Peter Meech ist nicht nur Qigong-Lehrer, er ist auch Journalist und Drehbuchautor. Das merkt man diesem Text deutlich an, in zweierlei Weise. Erstens ist er flüssig geschrieben, der Stil leichtfüßig, fast im Plauderton einer intelligenten Konversation. Aber er hat auch viele Zutaten für eine Sensationsstory, eine etwas reißerisch geratene Doku: Denn es geht um Erstaunliches, ja, Unglaubliches, um die Geheimnisse des Qi und die unvorstellbaren Fähigkeiten, die so ein chinesischer Meister durch dieses Qi haben kann.
Ein solcher Buchtitel verkauft sich. Nicht nur an Qigong-Interessierte, sondern an alle, die den Kitzel der Sensation und des Mystisch-Geheimnisvollen suchen. Die Absicht mag sein, auf diese Weise Interesse für Qigong zu wecken. Es ist fraglich, ob das gelingt. Denn was vermittelt dies Buch über Qigong?
Hier wird aus dem Blickwinkel eines rationalen westlichen Intellektuellen erzählt, wie er in Kontakt mit dem Phänomen Qi (im Buch in alter Schreibweise: Chi) kam. Ein zweifacher Kulturschock kann so etwas sein und war es offensichtlich auch im Falle von Peter Meech. An diesem Erleben lässt er die Leser hautnah teilnehmen. Nicht nur die Erfahrungen, die er beim Üben macht, sondern auch die Art, wie ein traditionell ausgerichteter chinesischer Lehrer ihn leitet, sind »mysteriös« – bleibt dieser doch über weite Strecken die Erklärungen schuldig, warum und wie die Dinge geschehen. Denn Aussagen wie »Chi weiß, was es tut« sind für einen Westler keine Antwort auf Fragen wie: »Warum geschieht dies?« Schon gar nicht, wenn der Meister »Chi wirft« und einem im Traum erscheint und Anweisungen gibt. So sind sowohl die Erfahrungen irritierend als auch das »Drumherum« – und beides steigert den Nimbus des Mystisch-Unerklärlichen.
Vieles, was Peter Meech schildert und was auf den ersten Blick so unverständlich erscheint, habe ich selbst durch einen chinesischen Lehrer erfahren dürfen. Auch ich habe zum Beispiel lernen dürfen, wie anders und mühelos die Kommunikation zwischen Lehrer und Schüler sein kann – jenseits der Worte und der Ratio. Aber ist der Bericht davon mehr als eine Sensationsgeschichte?
Insbesondere fragte ich mich, wie das auf LeserInnen wirken mag, die noch keine eigenen oder wenig Erfahrungen diesbezüglich haben, die das Buch lesen, um etwas über Qigong zu erfahren. Ich habe nachgefragt bei einem Schüler von mir, der das Buch vor längerer Zeit gelesen hatte:
»Meine Erwartungshaltung damals war, dass die Geheimnisse offenbart werden, aber das konnte ich nicht daraus erkennen. Ich bin eher westlich, wissenschaftlich, konkrete Anweisungen erwartend an das Buch herangegangen, konnte schwer die für mich mehr östliche, chinesische, gefühlsmäßige, schwammige und doppeldeutige Ausdrucksweise verstehen. Und dann: Wetter-Beeinflussung??? Erschüttert hat mich auch die Stelle mit dem, wie war das noch: »falschen Qi-Training« und Krankheit … Vielleicht erschließt sich mehr, wenn man das Buch mehrfach liest oder wenn man konkretere Vorstellungen von der Materie und von den Übungen hat. Ich habe aber auch keine Parallelen zu meiner eigenen Übungspraxis gezogen. Vielleicht habe ich ähnliche Erfahrungen wie der Schüler im Buch. Das könnte ich beim wiederholten Lesen einmal überprüfen.«
Mein Fazit: Für eine ernsthafte weitere Verbreitung des Qigong sind Bücher dieser Art nicht hilfreich. Sie nähren eher die Mythen und helfen nicht, die Brücke zwischen dem alten östlichen Wissen und den westlichen Wissenschaften zu schlagen. Peter Meech mag mit diesem Buch seinen Meister gewürdigt haben und das sicher zu Recht. Aber damit Qigong im westlichen Alltag ankommen kann, selbstverständlich, unaufgeregt und als Option für viele Menschen, dazu leistet dieses Buch keinen guten Beitrag. Qigong-Meister rücken so eher in die Nähe von Professor Dumbledore aus der Harry-Potter-Geschichte oder Meister Yoda aus Starwars – Dr. Chow wurde im Buch denn auch einmal mit Letzterem verglichen.