TQJ 01/2012

Rezensent:
Knut Jöbges

Jin Wenchu / Katharina Waibel:
Tinnitus Heilbuch. Das Selbstheilungs-Programm aus dem medizinischen Qigong
Nymphenburger 2011(6), 64 S., geb., 9,99 EUR[D]/10,30 EUR[A]/15,90 CHF (UVP)
ISBN 978-3485011396

Es gibt Bücher, die kann man guten Gewissens empfehlen. Es gibt Bücher, da kann man das nicht. Und dann gibt es solche wie das vorliegende, die den Rezensenten ratlos werden lassen. Aber eins nach dem anderen.

Aus medizinischer Sicht: Der Titel ist eine Frechheit und bestätigt die Vorbehalte seriöser Forscher und Behandler paramedizinischen Verfahren gegenüber. Er verhöhnt 20 Jahre intensiver neurootologischer und psychosomatischer Forschung und Erfahrung und es ist nur zu hoffen, dass er nicht von den Autoren stammt. Kurz gesagt: Wenn das hier dargestellte Qigong im behaupteten Maß heilen oder helfen würde, wäre es Teil jeder Standardbehandlung!
Damit nicht genug, es wird auch noch ein ziemlich naives Bild der Traditionellen Chinesischen Medizin gezeichnet. So schreiben die Autoren von »Organen« statt Funktionskreisen und beziehen die Funktion der Ohren auf die »Organe« Niere und Leber. Selbst auf einer einfachen Akupunkturkarte ist zu sehen, dass schon über den Verlauf der Leitbahnen auch die Funktionskreise Dünndarm, Dreifacher Erwärmer und Gallenblase Einfluss auf die Ohren haben. Unverständlich ist auch, dass die TCM-typische, in der Regel höchst individuelle Diagnose nicht erforderlich zu sein scheint. Sicher, das Buch ist nur 60 Seiten dick – aber so geht das nicht!

Zum Qigong: Grundhaltungen, Atem-übungen, Heilende Laute und Selbstmassage werden als Übungsprogramm mit Bildern illustriert vorgestellt. Dieser Teil ist eindeutig die Stärke des Buches, zeigt er doch die tatsächliche Kompetenz der Autoren. Allerdings kommt der Yangsheng-Aspekt zu kurz: Die Übungen und nicht eine durchgehende Änderung des Lebensstils werden als wirksames Mittel dargestellt.

Das ist zwar nützlich, da jede Ablenkung, unspezifische Entspannung und die achtsame Beschäftigung mit sich selbst auch im Umgang mit Tinnitus sinnvoll sind; aber das tatsächliche Potenzial des Qigong als Einstieg in eine sich selbst zugewandte, akzeptierende Grundhaltung, die sowohl Selbstkompetenz als auch Selbstwirksamkeit stärkt und sich mittel- bis langfristig auf alle Bereiche des Lebens ausdehnen kann, wird nicht einmal angedeutet. Qigong bleibt auf der Ebene einer Gesundheitstechnik.

Fazit: Ein nettes, gutes und sinnvolles Buch für Menschen, die entsprechende Übungen bei eine qualifizierten Kraft erlernen und die Übungsanleitungen als Erinnerung mitnehmen wollen. Aber mit der Behandlung von Tinnitus hat das höchstens indirekt etwas zu tun.