TQJ 02/2014

Rezensentin:
Dietlind Zimmermann

Anne Grewe-Welker:
Persönlichkeit und Stimme. Qigong-Übungen für die Stimmbildung

Pabst Sience Publisher 2012, Paperback 98 Seiten, 15 EUR,
ISBN 978-3-89967-781-2

Dies Buch richtet sich vornehmlich an Menschen, die mit ihrer Stimme arbeiten, sowie an Sprecherzieherinnen, Sprachheilpädagogen, aber auch Chorleiter, die angeregt werden sollen, dem üblichen Einsingen andere, ganzheitliche Impulse zu geben.
Leider stellt sich die Autorin Anne Grewe-Welker nicht vor. Ihrem Text entnehme ich, dass die Musikpädagogin selbst Qigong praktiziert, wohl auch unterrichtet, auf jeden Fall von ihrem Lehrer Moshe Kastiel, bei dem sie die Ausbildung zum »Medizinischen Qi Gong Trainer« machte, ermutigt wurde, dies Buch zu schreiben. Und dass sie die im Buch vorgestellten Techniken erfolgreich in ihrer Arbeit als Chorleiterin einsetzt sowie in Einzelarbeit im Training »Persönlichkeit und Stimme«.

Die Kombination aus Stimmbildung und Qigong ist absolut einleuchtend: Klang ist schwingende Luft, schwingender Atem. Der Klang einer Stimme – das weiß die TCM – sagt immer auch etwas über das Qi desjenigen aus, der seine Stimme erhebt. Stimme entfaltet sich durch die Resonanzräume des Körpers. Ein gut klingender, frei schwingender Ton braucht entspannte Kraft, die ihn trägt. Die Präsenz der Person, die spricht oder singt, drückt sich im Klang aus: So gesehen hat Stimmbildung auch etwas mit Persönlichkeitsbildung zu tun.
Es ist zu merken, dass dies Buch aus praktischer Erfahrung erwachsen ist. So ist auch die Ansprache der Autorin persönlich und freundlich einladend. Sie ermuntert, sich mit den Übungen ganz ohne Erfolgsdruck forschend dem eigenen Körper, dem Atem, der eigenen Stimme zuzuwenden. Oft leitet sie ein Kapitel mit Fragen ein, lädt immer wieder zum Innehalten ein. Dafür hat sie sogar ein eigenes kleines Zeichen entwickelt, dass durchgehend im Text und in den Übungen auftaucht und signalisiert: Kleine Pause machen vorm Weiterlesen. Wozu die Pausen gut sein sollen? Anne Grewe-Welkers gewitzte Antwort: »Sie werden es selbst herausfinden.«

Was sie mitzuteilen hat, ist »stimmig«. Umso mehr hätte ich ihrem Text ein achtsames Lektorat gewünscht, denn es gibt ein paar Schwächen. Einige Beispiele: Die Grundstellung ist zum Teil irritierend knapp erklärt, unvorstellbar, dass ein Mensch ohne Qigong-Erfahrung versteht, worum es geht. Einmal heißt es sogar »Das Becken kippt nach hinten.« Wie, ins Hohlkreuz? Manches ist ungenügend ausformuliert. Ich verstehe schlicht nicht genau, was mitgeteilt werden soll – ich rate dann also mal … Auch finde ich die Zuordnung der ansonsten durchaus hilfreichen schwarz-weißen Fotos zu den Übungen nicht immer klar – an einer Stelle schienen mir die Angaben der Bildunterschrift sogar im Widerspruch zur textlichen Übungsanleitung zu stehen.

Die Auswahl der einzelnen Übungen aber, von Übungen zur Entspannung der am Klang beteiligten Muskulatur mit Bewegungen oder Massagen über die Öffnung der Körperräume als Resonanzräume bis zur Verbindung von sehr einfachen Qigong-Bewegungen und der im Qigong üblichen Vorstellungslenkung mit dem Tönen der Stimme, ist nicht nur interessant, sondern macht Lust, auch im Qigong-Unterricht mal wieder das Tönen mit einzubeziehen.

Denn es gibt ja durchaus Qigong-Übungen, wie etwa die Heilenden Laute, die bewusst die Kraft der Schwingung auch durch Tönen einsetzen. In Schulen der inneren Alchemie gibt es die Tradition des Mantren-Singens und der heilenden Gesänge. In den gängigen Kursen kommt das im Allgemeinen zu kurz und ich erlebe eine Scheu der KursteilnehmerInnen davor, die eigene Stimme ertönen zu lassen. Dies Buch ist für mich eine echte Anregung, wie wir als Qigong-Praktizierende und Lehrende die wohltuende Stille des Qigong-Übens mal wieder mit wohltuendem Klang verbinden könnten. Nachlesen und ausprobieren!