TQJ 3/2022

Rezensentin:
Dietlind Zimmermann

Frithjof Krepp:
Free Flow Qi Gong und Meridian-Klopftechniken
Schirner 2021, 200 S. geb., € 19,95, ISBN 978-3-8434-1474-6

Gleich mal vorab: Dies ist eine Leseempfehlung. Der Titel hatte mich skeptisch-neugierig gemacht. Was bitte ist Free Flow Qigong? Hat da schon wieder jemand etwas vermeintlich Neues erfunden? Und warum und wie wird das mit der therapeutischen Technik des Meridian-Klopfens verbunden, die in dieser Form nicht in China, sondern im Westen entstand? Verlage sind ja durchaus bereit, »noch ein« Qigong-Buch auf den Markt zu werfen – wenn es sich vermutlich an eine breite Leserschaft verkaufen lässt. Dafür wird auch gern mal ein Aufwand bei der Gestaltung betrieben, der jede Seite zu einem schönen Anblick macht, fast wie in einem Lifestyle-Magazin. So auch hier. Doch zu meiner Freude kann der Inhalt mithalten und hat das ansprechende Layout, das zugleich optisch gut strukturiert und leitet, verdient.

Frithjof Krepp hat 32 Jahre als Lehrer gearbeitet. Nach einem Burn-out lernte er zunächst Qigong und später auch die Klopftechniken des sogenannten EFT/M.E.T. kennen. In beidem hat er nicht nur persönliche, tiefgreifend heilsame Erfahrungen gemacht, sondern sich auch umfassend ausgebildet und gibt dieses Wissen weiter. Sein Qigong ist stark aus dem »Qi Gong for Life« von Gao Yun inspiriert, die bei Qi-Übertragungen am Ende eines Seminares ihre Teilnehmenden regelmäßig ins Spontane Qigong leitete. Frithjof Krepp ist aus eigener Erfahrung davon überzeugt, dass diese Methode, die in China nach einer kurzen Phase der Öffnung von offiziellen Stellen wieder massiv unterdrückt worden ist, dadurch zu Unrecht in Verruf und Vergessenheit geraten ist. Er hält es für wünschenswert, dass mehr Menschen die heilsame Wirkung der spontan entstehenden Bewegungen erleben. Diese dürfen entstehen, wenn wir uns im Qigong-Zustand erlauben, in einen »Free Flow« zu kommen – dem Qi-Strom erlauben, den Körper zu bewegen und so selbsttätig für uns nicht bewusst ansteuerbare Blockaden zu lösen.

Nicht bewusst wahrnehmbare Blockaden sind auch die Schnittstelle zur zweiten Technik: dem Meridian-Klopfen. Der Autor schildert klar und übersichtlich, wie Körper und Geist, Energetik und Materie zusammenhängen und warum gerade die chinesische Medizin mit ihrem psycho-somatisch-energetischen Modell der fünf Wandlungsphasen dafür geeignet ist, Blockaden, die tief im Unbewussten liegen, aufzulösen. Oft beruhen diese auf unbewussten Glaubensätzen, gehen auf emotional-traumatische Erfahrungen und die damit verbundenen Emotionen zurück. Über die energetische Ebene können wir sie einerseits mit Qigong – besonders gut im »Free Flow« – und andererseits mit der Meridian-Klopftechnik erreichen und auflösen. Die Klopftechniken wurden in den 1990er Jahren zuerst unter dem Begriff »Emotional Freedom Techniques« (EFT) bekannt und gehen auf die amerikanischen Therapeuten Gary Craig und Roger Callahan zurück. Im deutschsprachigen Raum wurden sie als »Meridian-Energie-Technik« (M.E.T.) von Rainer Franke als »Revolution in der Psychotherapie« gepriesen und verbreitet.

Frithjof Krepp empfiehlt, einfache Qigong-Übungen, die er im Buch vorstellt und die zunächst das System vorbereiten und das Energieniveau anheben sollen, mit einer anschließenden Free-Flow-Phase zu verbinden. Tatsächlich enthält das Buch zum Free Flow relativ wenig, bietet eher Einstimmung und Ermutigung und benennt ein paar Spielregeln. Was sollte man auch sonst groß über etwas schreiben, das nicht willentlich ansteuerbar ist? Sehr gut und zumindest für Menschen mit Qigong-Erfahrung ausreichend ausführlich beschrieben und bebildert sind die Übungen, die er vorstellt. Dabei geht er kleinschrittig vor, beginnt mit Einstiegsübungen wie »Sich auf das Nichts einlassen«, »Sich auf das Dantian fokussieren«, »Qi durch Bauchatmung gewinnen« oder der »Qi-Gong Schüttelübung«. Das macht er so gut, dass man fast geneigt wäre zu sagen: Vielleicht klappt das auch für Anfänger*innen, die nur das Buch in der Hand haben. Aber da bin ich ja immer eher skeptisch und beim »Free-Flow« ist es auch sehr fraglich, ob es ratsam ist, das alleine auszuprobieren, da die Erfahrung der spontanen Bewegungen für manche durchaus irritierend sein kann.

Dann folgt eine Einführung ins »Shaolin-Qi-Gong« und die Beschreibung der kleinen Übung »Den Himmel anheben«, die mit der ersten der Acht Brokate verwandt ist, aber auf spezifische, stark Dehnung erzeugende Weise ausgeführt wird. Nach der Einführung ins »Qi Gong for Life« wird die Übungsfolge »Schwan und Kranich« vorgestellt, und schließlich folgt nach einer Einführung ins Zhanzhuang eine fünfteilige Übungsfolge »Stehende Säule«. Danach gibt es Tipps, wie man sich diese Bausteine zu einem eigenen Übungsprogramm zusammenstellen kann und wo und wie sich ein Free Flow gut einbauen ließe. Mich haben alle Übungen angesprochen und ich finde, dass sie einen guten Baukasten für ein tägliches Training abgeben.

Die zweite Hälfte des Buchs ist den Klopftechniken gewidmet. Zunächst wird ihre Wirkungsweise erläutert und es wird ein schöner Zusammenhang zum Qigong-Üben hergestellt: Frithjof Krepp fragt, warum wohl so wenige Menschen es schaffen, selbstständig täglich zu praktizieren, und hat bei seinen Teilnehmenden diverse »Glaubenssätze« identifiziert, die sie davon abhalten, obwohl sie es eigentlich wollen. Die Glaubensätze, sagt er, könne man wunderbar »beklopfen«, um sie loszuwerden und die inneren Blockaden zu beseitigen, die uns hindern, etwas in unserem Alltag zu installieren, was uns guttut. Das kommt, nehme ich an, vielen bekannt vor.

Ob das mit dem selbst Erlernen und An- wenden aus dem Buch beim Klopfen besser klappt als beim Qigong? Ich bin nicht ganz sicher. Die Methode scheint einfach. Ich habe die 14 Punkte auch relativ rasch erlernt (wie, welcher, wo und in welcher Reihenfolge) und das Grundprinzip ist einfach. Aber ein bisschen ist es mit dem »einfach« wie beim Qigong: Da gibt es auch nur Yin und Yang. Aber am Ende ist es doch sehr komplex und nicht so einfach, tiefe Selbstwahrnehmung mit dem Handhaben einer Technik zu verbinden.

Auch hier bin ich der Ansicht, dass man es zunächst mit Unterstützung einer Fachperson erlernen sollte. Dann kann es später genauso leicht zu einem Handwerkszeug der Selbstfürsorge werden wie Qigong. Und eine gute Ergänzung. Ich halte dies Buch auf jeden Fall für alle, die schon Qigong praktizieren, für anregend und inspirierend. Es ist eine echte Ergänzung auf dem Qigong-Buchmarkt.