Andreas W Friedrich:
Tai Chi. Personal Training
Weltbild 2015, 78 Seiten, mit Lehr-DVD, 9,99 EUR, ISBN 978-3-8289-4397-1
Der Untertitel »Personal Training« ist offensichtlich nicht die Wahl des Autors. Der Weltbildverlag hat eine Reihe herausgebracht unter diesem Titel. Nun also auch zu Taijiquan. Ein dämlicher Titel – seit wann kann ein Buch (selbst mit DVD) ein »Personal Trainer« sein? Na, sei’s drum … Ähnlich sachlich kompetent erwies sich der Verlag, als er, so ließ mich der Autor wissen, auf der gemischten Schreibweise Tai Chi Quan bestand, weil man wohl meinte, das sei kundenkompatibler.
Andreas W Friedrich, den wir zu den Pionieren des Taijiquan in Deutschland rechnen dürfen, scheint es hauptsächlich um eins zu gehen: Menschen mit dem »Taiji-Virus« zu infizieren, damit sie – wie er – die Freude an diesem Übungsweg entdecken. Der Weltbildverlag mit seinen niedrigpreisigen Lizenzdrucken ist da ein guter Verteiler.
Das Buch wird mit ganz persönlichen Worten eingeleitet: Was ist für den Autor wohl das Wichtige am Taijiquan? Ein kleiner (fiktiver?) Dialog, der gut einstimmt, weil er die persönliche »Stimme« von Andreas Friedrich einführt, seinen integralen Zugang, seine Idee von Genuss und Spielfreude auf einem Übungsweg, der gerne lang sein darf … Dieser persönliche Blickwinkel wird nicht verborgen und zieht sich durchs ganze Buch.
Nach gut 15 Seiten Allgemeinem zu Theorie und Praxis – durchaus ausreichend für eine Einführung – kommen neun grundlegende Übungen etwa zu Haltung, Stand, Gewichtsverlagerung und Zentrumsbewegung. Den Hauptteil des Buches bildet eine kurze Form, die der Autor aus dem klassischen Yang-Stil entwickelt hat. Er nennt sie die »neue, integrale Kurzform 12x4direkt«. Sie hat insgesamt 48 Bewegungen und wird in zwölf Lektionen à vier Bewegungen geübt. Die vier Bewegungen werden in zwei Yin-Yang-Paare eingeteilt. Als Bonus gibt es einen kleinen Anhang, der illustriert, wie Taijiquan-Partnerarbeit aussehen kann.
Alle Anleitungen sind mit Fotos illustriert, die mir aus der beigefügten Übungs-DVD entnommen zu sein scheinen. Im Druck kommen sie nicht so deutlich rüber wie auf dem Bildschirm. Und die kurzen Texte haben mich mal wieder darin bestätigt: So kann man keine Taiji-Form lernen. Die Bewegungsabläufe sind zu komplex, um sich mit einem Foto und zehn Zeilen beschreiben zu lassen. Aber das Buch scheint mir hier eher wie ein dickes Booklet gedacht zu sein. Das eigentliche Lernmedium soll die DVD sein. Die Form wurde extra so entwickelt, dass sie immer in dieselbe Richtung weist (inklusive der Diagonalen), damit Übende den Blick auf dem Bildschirm halten können – den virtuellen Lehrer also immer vor Augen.
Aber auch das scheint mir nur bedingt tauglich. Die DVD zeigt die Vorübungen zwar in wirklich schöner Ausführlichkeit, Andreas Friedrich erläutert klar und einladend. Doch die Form wird nur zweimal (einmal verbal kommentiert, einmal mit Musik unterlegt) frontal vom Autor gezeigt. Das ist schon der ganze »Unterricht«.
Doch ich billige dem Autor, dessen Begeisterung für Taijiquan unverkennbar und ansteckend ist, zu, dass er das weiß und es ihm darum auch nicht geht. Mir scheint, er möchte vielmehr einen Funken zünden, eine Lust wecken – niedrigschwellig (Buch und DVD unter 10 Euro) möglichst vielen Menschen eine Idee und einen Zugang geben – zum Taijiquan verführen. Das macht das Buch mit DVD ganz gut. Also: Buchempfehlung für Neugierige, Anfänger und Infizierbare.