TQJ 03/2013

Rezensentin:
Dietlind Zimmermann

Andrew Dabioch und Ingo Schmidt:
Lehr-DVDs für Taijiquan, Qigong, Kungfu und Xingyiquan

Tao Academy, derzeit 72 Titel für Taijiquan, 36 Titel für Qigong und 4 Titel für Xingyiquan. Laufzeit ca. 24 bis 100 Minuten, Preise ca. 10 bis 41 Euro.

Laufende Jubiläumsrabattaktion von 30 %, Vertrieb über www.tao-academy.de
Als Andrew Dabioch 1992/93 begann seine Lehrvideothek aufzubauen, gab es das »Genre« Lehrvideo in unseren Künsten gar nicht wirklich. Es gab eher wackelige Videomitschnitte von irgendwelchen Meistern, die irgendetwas vormachten. Nicht nur, dass Andrew Dabioch sich damals, zusammen mit seinem Kompagnon Ingo Schmidt, vornahm, technisch das Bestmögliche anzubieten – es sollten auch »echte« Lehrvideos sein. Und man muss sagen: Er hat damit einen Standard gesetzt, der sich auch heute noch sehen lassen kann.
Auf meine Anfrage, etwas aus seiner Lehrvideothek zu besprechen – ich bat um zwei DVDs zu der 88er Sanshou-Form des Yang-Stils – bekam ich außerdem eine DVD zur 12er Reihe Tan-Tui-Stil, Solo und Partnerform des Nord-Shaolin Kungfu zugesandt und eine DVD zu den Fünf-Wandlungen-Partnerformen des Xingyiquan. Deshalb nehme ich heute die Lehrvideothek als Ganzes in den Blick.
Am wenigsten überzeugt mich das Kungfu-Video, eines der frühsten aus der Produktionsreihe, obwohl es vor kurzem neu aufgenommen wurde. Andrew Dabioch zeigt solo und dann zusammen mit Ingo Schmidt alle zwölf Formen – kommentarlos. Man sieht alles gut. Aber: Was ist daran das Lehrvideo?
Der Standard, den ich zuvor meinte, ist hier nicht sichtbar. Ich kenne ihn aber aus Videos zu Säbel- oder Stockformen des Yang-Stil Taijiquan und finde ihn auf den DVDs zur Sanshou-Form wieder, ebenso auf der zum Xingyiquan: Diese – und das scheint mir für die Mehrheit der DVDs dieser Lehrvideothek zu gelten – sind folgendermaßen aufgeteilt: Die im Hauptmenü angegebenen einzelnen Lehrabschnitte differenzieren sich in der Regel noch in 1. Darstellung, 2. Lehrteil, 3. Übungsteil.
Die Menüführung ist nicht auf allen DVDs gleich, aber man kapiert schnell, wie man was ansteuern kann. So kann man entscheiden, welches Angebot im jeweiligen eigenen Übungsstadium sinnvoll ist, und es schnell auffinden. An solchen »Kleinigkeiten« sieht man, dass Lernende und ihre Bedürfnisse bei der Konzeption bedacht wurden.
Unter dem Punkt »Darstellung« wird einmal der Gesamtablauf der in diesem Programm zu lernenden Form(en) vorgeführt. Dies meist sowohl verlangsamt als auch in flüssiger/schneller Form. Auf gleiche Weise wird der jeweilige Abschnitt, der erlernt werden soll, dargestellt.
Im »Lehrteil« wird der einzelne Abschnitt gezeigt, nun aber sehr verlangsamt. Wenn nötig, halten die Vorführenden auch in der Bewegung inne – um Übergänge oder einzelne Aspekte erkennbar werden zu lassen. Und Andrew Dabioch gibt dazu mündlich verschiedenste kurze Erklärungen. Er beschreibt, was er tut, er zeigt und spricht von möglichen Varianten in der Anwendung und erläutert gegebenenfalls Hintergründe, zum Beispiel warum welche Bewegung einer bestimmten Wandlungsphase zugeordnet ist und wie diese mit einer anderen ineinandergreift. 
Der »Übungsteil« lädt ein, nun »gemeinsam« zu üben. Wieder wird vorgeführt, relativ langsam und Bewegung für Bewegung, wieder hören wir Andrews Erläuterungen. Es ist für mich nicht wirklich zu erkennen, was den eigentlichen Unterschied zwischen dem Lehr- und dem Übungsteil ausmacht. Die Unterteilung scheint mir weniger einer methodisch genauen Differenzierung zu folgen, als dem Ablauf eines klassischen Unterrichts in der Gruppe: 1. der Lehrer zeigt, 2. er erläutert, was er zeigt, und 3. er lässt alle mitmachen, während er zeigt und erläutert.
Auf den DVDs, die ich jetzt erhielt, war die Kameraeinstellung statisch, also der Blickwinkel auf die Vorführenden nahezu gleichbleibend, damit waren rückwärtige Hand- oder Schrittstellungen nicht immer optimal zu sehen. Vielleicht ließe sich hier noch etwas optimieren.
Wer ist dieser »Lehrmeister«, wie Andrew Dabioch sich selbst nennt, der uns auf inzwischen über 116 DVDs sowohl Gongfu als auch Taijiquan, Qigong und nun auch Xingyiquan näher bringen will? Von wem hat er dies alles gelernt, aus welchen Quellen schöpft er? Wir erfahren darüber wenig, nur dass er alle diese Künste einmal erlernt hat und »1982 vor deutschen und chinesischen Meistern« seine Meistergraduierung empfing.
Was man angesichts dieser erstaunlichen Videothek sicher sagen kann: Hier hat sich ein westlicher Lernender mit absoluter Hingabe auf den Weg gemacht, schon vor langer Zeit. Und was er nicht im persönlichen Kontakt lernen konnte, hat er gesucht – und vieles gefunden. Denn so eine Sammlung braucht einen unermüdlich Sammelnden – einen, der nach allen Quellen forscht, die er finden kann. Und sich im Praktizieren zu eigen macht, was er findet. Mit seiner Videothek hat er anderen, die ähnlich auf der Suche sind, viel Mühe erspart: Er bietet seine Funde gut aufgearbeitet an, er teilt sie mit uns.
Ob sich damit einlöst, was er auch als Ziel dieser Videothek formuliert, nämlich dass man damit nun unabhängig von Lehrern lernen könne? Ja und nein. Unsere Übungswege bestehen aus einer Yang- und einer Yin-Seite: aus äußeren Formen und Übungen und inneren Prozessen. Für Ersteres sind gut und nachvollziehbar dargestellte Formabläufe eine wunderbare Stütze. Für das Zweite wird es immer der Begleitung durch eine Lehrperson bedürfen, jemanden, der oder die die im Übungsweg zu entfaltenden Prozesse in sich entwickelt und den Weitblick hat, die Lernenden in ihrer Ganzheit zu sehen und zu begleiten. 
Für alle in erster Linie nach Übungsmaterial Suchenden halte ich die geradezu enzyklopädische Lehrvideothek von Andrew Dabioch und Ingo Schmidt für eine wahre Fundgrube.