Prof. Dr. Norbert Lotz / Christina Oxfort:
Qi Gong, 75 Therapiekarten
Beltz 2023, 75 Karten mit 32-seitigem Booklet in hochwertiger Klappkassette, € 49,99,
ISBN 4019172101091
In einem 75-teiligen Kartenset die Grundlagen des Qigong darzulegen und dazu einfache Übungen für die Praxis vorzustellen – einsetzbar in Therapie, Beratung und Coaching: Das erschien mir – zugegebenermaßen – auf den ersten Blick ein zu hehres Ziel. Ja, angesichts meines umfangreichen Bücherregals zu genau diesen Themen eigentlich kaum erfüllbar.
Ein Blick auf die beiden Autor*innen verstärkte meine Skepsis. Norbert Lotz, Psychologie-Professor aus Frankfurt, und Christina Oxfort, Biologin und Heilpraktikerin aus Bad Vilbel, beide ausgebildet bei der chinesischen Ärztin Liu Yafei in deren System des Nei Yang Gong: Was mag das bringen für diese spezielle Zielgruppe, die möglicherweise über geringe Kenntnisse in der Theorie des Qigong verfügt oder eine ganz andere Ausbildung durchlaufen hat?
Es gehört zu den schwierigsten Anforderungen im Bereich von Vortragstechnik, Unterricht und Lehre, gerade umfangreiche und komplizierte Sachverhalte in einfachen Worten verständlich zu präsentieren. Genau daran sind schon viele gescheitert. Doch Norbert Lotz und Christina Oxfort ist in Zusammenarbeit mit den Verlagsexpert*innen ein nahezu geniales Werk gelungen, von dem viele profitieren können. Zunächst einmal die avisierte Zielgruppe der Therapeut*innen, Berater*innen und Coaches für die Einzelarbeit mit ihren Klient*innen oder Kund*innen. Mit den optisch und haptisch sehr ansprechenden Karten in ei- nem Format irgendwo zwischen DIN A5 und DIN A4 mit jeweils einer Bild- und einer Textseite lässt sich wunderbar arbeiten. Man kann sich für jede Sitzung ein Thema vornehmen und erarbeiten. Oder dem Ratsuchenden eine der Karten als »Hausaufgabe« mitgeben.
Den beiden ist es gelungen, umfangreiche Sachverhalte in kurze Sätze herunterzubrechen und mit einer kleinen Denkaufgabe oder Mini-Übung zu verbinden. Ihr geplanter Gegenpol zum krank machenden »dichotomen Denken« im westlichen Kulturraum, auch Schwarz-Weiß- oder Alles-oder-Nichts-Denken genannt, das die beiden im beiliegenden 30-seitigen Booklet erläutern, wird deutlich, wenn man sich die Karte 5 zur Hand nimmt. Die Schwierigkeit bei der Übertragung chinesischer Begriffe in eine verständliche deutsche Schreibweise wird anhand von sechs unterschiedlichen und gebräuchlichen Schreibweisen von »Qi Gong« präsentiert. Möglichen Belehrungen, dass man doch heutzutage »Qigong« (oder etwas anderes) schreibe, wird da gleich die Substanz entzogen. Die ausgewählten Übungen sind keinesfalls speziell oder kompliziert in der Ausführung, sondern gleichermaßen für Anfänger*innen und Fortgeschrittene geeignet, weil es sich jeweils um Grundlegendes der Qigong-Praxis handelt. Etwa beim Thema »öffnende« und »schließende Kreise« oder dem weiten Feld der Atmung in den chinesischen Entspannungsverfahren. Mit der Darstellung auf Karte 30 zum Unterschied von »Yin-Atmung« und »Yang-Atmung« lässt sich wunderbar eine Einzelarbeit gestalten.
Kursleitende können die grafischen Darstellungen von der Vorderseite der Karten als Vorlage für größere Präsentationsformate nutzen und damit auch in einer größeren Gruppe arbeiten. Oder die auf der jeweiligen Karte angeschnittene Thematik zum Inhalt einer Kurseinheit machen. Neben den Kursleitenden können sicher auch erfahrene Übende von diesem Kartenset zur Stressbewältigung und Selbstfürsorge profitieren. Statt sich bei dem vorliegenden »Wust« von Büchern schwer für etwas Konkretes entscheiden zu können, widmet man sich nur dem Thema und der Aufgabenstellung einer einzigen Karte.
Ebenfalls wohltuend: Norbert Lotz und Christina Oxfort haben sich bei allen praktischen Übungen selbst vor den Fotografen gestellt und dies nicht irgendwelchen smarten und Jugendlichkeit ausstrahlenden Models überlassen. So kommt das Ganze authentisch rüber.
Generell gilt für das Üben von Qigong, was jede und jeder schon mal in ähnlicher Form gehört oder selbst gesagt hat – und hier auf Karte 75 steht: »Wenn Du üben willst, dann übe. Wenn Du nicht üben willst – dann übe.« Ein sehr gelungenes Werk!