TQJ 4/2020

Rezensent:
Helmut Oberlack

Already Free
Two Shoes Productions 2019, 54 Min., Engl. mit dt. Untertiteln
zu beziehen über www.alreadyfreefilm.org

Filme, in denen Qigong vorkommt, sind sehr selten. Und noch seltener sind Filme, in denen es um Qigong geht. Umso schöner ist es nun, dass es einen solchen Film gibt. In »Already Free« werden zwei Qigong-Biografien erzählt, des Portugiesen Norberto Rodrigues und der Niederländerin Dorrie van Roij-Houtappels, die aus unterschiedlichen Beweggründen zum Qigong gekommen sind. Wobei es eigentlich nicht um Qigong geht, sondern um die Kultivierung des Lebens. Norberto sah mit fünf Jahren einen Film mit Bruce Lee, der in ihm das Interesse an Kampfkunst und später auch an Meditation und Qigong weckte. Nachdem er sich als junger Mann beim Training schwer die Wirbelsäule verletzt hatte, stieß er auf seiner Suche nach Heilung auf Yuan Tze.

Dorrie erlebte als 17-jährige den schweren Schlaganfall ihrer Mutter und sie verlor ihr Gefühl von Sicherheit, das ihr ihre behütete Kindheit gegeben hatte. Um ihrer Angst, Zweifeln und einer Depression zu entgehen, begann sie nach dem Sinn des Lebens zu suchen und kam schließlich auch zu Yuan Tze.

Dorrie und Norberto berichten abwechselnd über ihr Leben, wie sie zu den östlichen Wegen und zu ihrem jetzigen Lehrer gekommen sind, welche Erlebnisse und Veränderungen sie durch ihre Qigong-Praxis erfahren haben und wie sie dazu gekommen sind, ihre Erfahrungen weiterzugeben, um anderen Menschen zu helfen. Eindrucksvoll schildern sie, wie sie ihr Herz wirklich öffnen konnten und ihre Muster erkannt und transformiert haben, bis sie zu einem Zustand der vollkommenen Verbundenheit mit allem und zu ihrem wahren Selbst, zum Erlebnis der Erleuchtung, gelangt sind. Und dass dieses nichts Besonderes sei, sondern eigentlich das Natürlichste auf der Welt. In der Art und Weise, wie sie ihren Weg erzählen, kommt diese Natürlichkeit und Einfachheit überzeugend zum Ausdruck.

Ergänzend dazu kommen immer mal wieder die Familienmitglieder der beiden zu Wort und erzählen aus ihrer Sicht von der Entwicklung ihres Sohnes beziehungsweise ihrer Mutter und Ehefrau und was es für sie bedeutet.

Und natürlich darf ihr Lehrer Yuan Tze im Film nicht fehlen. Er lernte schon als Kind Kampfkünste und Qigong, begann als 20-jähriger Qigong zu unterrichten und wurde Mitglied der Chinese Qigong Science Research Association. 2002 emigrierte er nach Neuseeland. Dort etablierte er das von ihm kreierte System Ren Xue (Mensch lernen), das nicht nur die Gesundheit verbessern soll, sondern auch das Leben kultivieren und auf eine höhere Stufe heben will. Yuan Tze beeindruckt durch seine ruhige, zurückgenommene Art mit einer leisen, fast flüsternden Sprache. Er wirkt klar und überzeugend, wenn er darstellt, dass die Kultivierung des Lebens die »Erleuchtung« anstrebt und dass eine solche Erfahrung nicht nur den Einzelnen fördert, sondern die ganze Menschheit.

Der Film besticht durch seine Ruhe und Klarheit. Immer wieder sind Sequenzen eingestreut, in denen die beiden bei ihren Übungen zu sehen sind. Diese Sequenzen hätten gerne länger sein können, weil es einfach schön ist zu sehen, wie die beiden Qigong machen. Zum Ende des Films werden diese Sequenzen künstlerisch: Nahaufnahmen von den Händen, Armen und Oberkörpern, im Studio bei optimaler Ausleuchtung aufgenommen. Wunderschön. Gefallen hat mir auch die sehr sparsame und dadurch wirkungsvolle Hintergrundmusik.

Fazit: ein beeindruckender und berührender Film, der uns an das wirklich Wesentliche im Leben erinnert, an die Einheit und Verbundenheit aller Lebewesen und Dinge dieser Welt.