Am 1. Mai 2020 ist Roshi Paul Shoju Daoqi Schwerdt nach langer, schwerer Krankheit gestorben.
Schon in jungen Jahren prägten Musik und Kunst, Kampfkunst und Spiritualität Pauls Leben. Die Freude am Malen und die Hoffnung auf neue, fernöstliche Motive führten den damals 13jährigen fast versehentlich zu den Kampfkünsten, in die er sich aber bald voller Begeisterung und Disziplin stürzte. Er begann mit Taekwondo und kam unter anderem über Taikiken (Yiquan) und Muai Thai zum Yongchunquan, das er in der von ihm gegründeten ersten Gongfu-Schule in Aachen unterrichtete. Beim Yiquan lernte er die Bedeutung des Neijia kennen. Ein ihn prägender Spruch lautet: »Lerne eine Form, erlange die Essenz, löse Dich von der Form und bewahre die Essenz!« (Wang Xiangzhai).
Bereits Mitte der 70er Jahre erweiterte sich sein Interesse um die inneren Kampfkunstile und er lernte den Yang- und den Chen-Stil des Taijiquan.
Wieder war es dann die Liebe zur Kunst, die ihn über ein Stipendium an die Hochschule nach Hangzhou führte zum Studium chinesischer Malerei. Er nutzte die Gelegenheit, sowohl daoistische Lehrer zu suchen und bei ihnen zu studieren – er wurde im Laufe der Jahre zum daoistischen Adepten – als auch bei chinesischen Lehrern der äußeren und inneren Kampfkünste neu „in die Schule zu gehen“. Von Xia Tao wurde er schließlich als Tudi angenommen. Von ihm lernte er u.a. den nördlichen Wu-Stil, bei Zhu Tiancai vertiefte er den Chen-Stil. Zum Europa-Repräsentanten der »Hangzhou Wushan International Taijiquan Society« ernannt, kehrte er nach Deutschland zurück. 1988 begründete er einen eigenen Gongfu-Stil (Shanquan) als einen Mittelweg zwischen Waijia und Neijia.
Sein spirituelles Interesse fand u. a. seinen Ausdruck in seiner Hinwendung zum Zen-Buddhismus. 1992 legte er Jukai ab (buddhistische Gelübde), 1998 wurde er von He Nan (Jingci-Tempel, Hangzhou) zum Zen(Chan-)-Priester und -Lehrer und 2000 von Bernard Glassman Roshi zum Dharmahalter und Direktor des Zen-Peacemaker-Ordens in Europa ernannt. Von Roshi Rei Shin Bigan, dessen Dharma-Nachfolger er ist, erhielt er in der japanischen Rinzai Linie des Hokuji-Tempels Inka Shomei, das große Siegel der Übertragung, und den Titel Zen-Meister.
2008 gründete Paul Shoju Schwerdt die Wushan-Akademie, der der Zen-buddhistische Zhulinci-(Bambushain-)Tempel angegliedert ist. Ziel der Akademie ist es, über Vermittlung traditioneller chinesischer Künste (Taijiquan, Qigong, Kungfu, Tuschemalerei) auf dem philosophisch-geistigen Nährboden der Lehren des Buddhismus und Daoismus für moderne Menschen des Westens die Kultivierung des guten Lebens (Yangsheng) erfahrbar zu machen und hierdurch das Dao zu realisieren.
Lerne die Form, entdecke die Essenz, löse dich von der Form, behalte die Essenz – dieser Leitsatz ist nicht nur Überschrift seines Lebens und in gewisser Weise seines Todes, sondern er findet seinen Ausdruck auch in seinen Büchern und Artikeln (auch für das TQJ). Die Aufgabe, sein Lebenswerk und die Wushan-Akademie fortzuführen und zu entwickeln, hat Paul Shoju Schwerdt an seine langjährige Lebensgefährtin und Schülerin, Dr. Eva Jiun Neumann, übertragen. Sie hat diesen Auftrag angenommen.
Das Taijiquan & Qigong Journal gedenkt eines wahren Pioniers der fernöstlichen Künste.